Tatort Bau, Gastro, Kosmetik, Rotlicht
Mehr Menschenhandel in der Schweiz registriert

Im Jahr 2023 wurden in der Schweiz fast 200 Fälle von Menschenhandel registriert – ein Anstieg von 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders auffällig ist die Zunahme männlicher Opfer.

Die neuesten Zahlen zum Menschenhandel in der Schweiz sind alarmierend. Im letzten Jahr hat die Plattform Traite, ein Zusammenschluss von vier Schweizer Fachorganisationen gegen Menschenhandel, 197 neue Fälle registriert – das sind 11 Prozent mehr als im Vorjahr. Insgesamt haben im letzten Jahr 488 Opfer von den Mitgliedsorganisationen der Plattform Beratungen bezogen. Das teilt die Organisation anlässlich des heutigen Internationalen Tags gegen Menschenhandel mit.

Sensibilisierung bei Polizei & Co. wirkt

Während früher der Fokus der Behörden auf der Prostitution lag, verzeichnen Fachstellen und Behörden nun eine Verschiebung. Vermehrt werden auch in Branchen wie dem Baugewerbe, der Gastronomie oder im Kosmetikgewerbe Fälle von Menschenhandel verzeichnet. Diese Zunahme aufgedeckter Fälle zwecks Arbeitsausbeutung ist laut der Plattform auf die Sensibilisierungsarbeit zurückzuführen, die sie bei Polizei, Beratungsstellen aus dem Migrationsbereich oder in Spitälern gemacht habe. Trotzdem kritisiert Nina Lanzi von der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ): «Betroffene von Arbeitsausbeutung werden häufig nicht als solche anerkannt und erhalten entsprechend nicht den Schutz, zu dem sie Anrecht haben.»

Jedes vierte Opfer ein Mann

Eine Veränderung zeigt sich auch im Profil der Betroffenen. Fast ein Viertel der Opfer sind Männer. Dies hängt stark mit den verstärkten Kontrollen im Baugewerbe zusammen, wo traditionell mehr Männer beschäftigt sind. «Es ist wichtig, dass man nicht nur in der Prostitution hinschaut», sagt Lanzi. Doch die breiter gestreuten Kontrollen brächten auch Herausforderungen mit sich. Denn trotz mehr Kontrollen stünden nicht mehr Mittel zur Verfügung. Die Folge: 

Wenn man die Branchen ausweitet, können die Kontrollen in gewissen Bereichen wie in der Sexarbeit nicht mehr gleich stark durchgeführt werden. Das ist besorgniserregend.

Lanzi fordert deshalb mehr Ressourcen, um flächendeckende und effektive Kontrollen in allen betroffenen Branchen durchführen zu können. Nur so könne die Dunkelziffer gesenkt und den Opfern geholfen werden.

Unia schult ihre Sekretäre

Die Unia unterstützt diese Forderung. Die Gewerkschaft hat zuletzt am 20. Juni, anlässlich des dritten Europarat-Berichts zur Menschenhandelsbekämpfung in der Schweiz, grundsätzliche Kritik geäussert: In der Schweiz würden «nur sehr wenige Täter verfolgt und verurteilt». Und:

Zu viele Opfer werden weder identifiziert noch unterstützt und erfahren keine Gerechtigkeit.

Um dies zu erreichen, hat die Unia unter anderem am dritten Nationalen Aktionsplan (NAP) gegen Menschenhandel mitgewirkt. Dieser wurde vom Bundesrat verabschiedet und läuft bis 2027. Zudem schult die Unia ihre Sekretärinnen und Sekretäre spezifisch im Umgang mit Menschenhandel. Im vergangenen Herbst hat die Gewerkschaft eine hilfreiche Broschüre für Mitglieder und Interessierte publiziert.

Plattform Traite 

Die Plattforme Traite ist die Schweizer Plattform gegen Menschenhandel und fungiert als Dachorganisation für spezialisierte, regional tätige Organisationen wie die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) in Zürich, Astrée in Lausanne, das Centre social protestant (CSP)in Genf und Mayday aus dem Tessin. 

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