Ferienzeit – Stellvertretungszeit
Muss ich die Arbeit meiner Gspänli übernehmen?

Ferienzeit ist schön – für die, die Ferien haben. Für die anderen Mitarbeitenden bedeutet es oft einen Mehraufwand, weil die Arbeit der Fehlenden auf die Bleibenden abgewälzt wird. Doch wann ist es zu viel, und wie können sich Arbeitnehmende wehren? Rechtsanwalt und Arbeitsrechtsexperte Thomas Tribolet von Advocomplex gibt Antwort auf die drängendsten Fragen.

work: Nicht immer gibt es eine Stellvertretungslösung, wenn jemand in den Ferien weilt. Ist das überhaupt zulässig? 

UNSER EXPERTE: Rechtsanwalt Thomas Tribolet.

Thomas Tribolet: Art. 321  des Obligationenrechts hält fest, dass grundsätzlich die vertraglich übernommene Arbeit persönlich geleistet werden muss. Die Frage ist also, was vereinbart wurde. Ist die Stellvertretung nicht vereinbart, so muss sie auch nicht geleistet werden. Es gibt aber auch das Weisungsrecht der Firma (Art. 321d OR ). Demnach kann die Chefin Weisungen erteilen, und dazu gehört auch, dass sie mir sagen kann, dass ich während einer Woche die Stellvertretung übernehmen soll. 

Wenn nun aber die Arbeit inklusive der Zusatzarbeit wegen Ferienabwesenheiten anderer zu viel wird: Wie kann ich mich wehren? 

Eine Firma hat neben dem Weisungsrecht auch eine Fürsorgepflicht. Das bedeutet auch, dass jemand, der bereits voll ausgelastet ist, nicht noch zusätzlich viel Stellvertretungsarbeit übernehmen kann. Hier kommt es auch auf die konkrete Arbeit an: Wie dringend sind die konkreten Arbeiten? Ist es besser, wenn ich meine Arbeit zurückstelle und dafür Stellvertretungsarbeit erledige, oder kann die Arbeit liegen bleiben? Wird mir kurzfristig erklärt, dass ich die Stellvertretung machen müsse, so ist es wohl sinnvoll, das zu machen. Gleichzeitig aber muss das Thema mit der Vorgesetzten besprochen werden, und es ist eine Regelung zu finden. Ist die Stellvertretung nicht in einer Weisung oder einem Arbeitsvertrag geregelt, deutet das darauf hin, dass eine Betriebsorganisation noch etwas mangelhaft ist und verbessert werden muss

Angenommen, die Vorgesetzte ist wegen Krankheit oder Schwangerschaft abwesend. Ist es lohntechnisch relevant, wenn ich als Stellvertreterin längere Zeit die Arbeit meiner Vorgesetzten übernehme?

Das ist im Privatrecht nicht explizit geregelt. In der öffentlichen Verwaltung gibt es Regelungen dann, wenn ein Stellvertretungsverhältnis längere Zeit dauert. Im Kanton Bern zum Beispiel muss bei einer Stellvertretung, die länger als drei Monate dauert, eine zusätzliche Entschädigung bezahlt werden; dies ist abhängig vom Lohn der vertretenen Person. Das Minimum beträgt 300 Franken pro Monat. Diese Regelung gilt aber gerade nicht für kürzere Abwesenheiten. Im Fall einer Schwangerschaft oder länger dauernden Krankheit stehen der Firma ja entsprechende Mittel zur Verfügung, um die Stellvertretung durch eine befristete Anstellung zu garantieren; das ist letztlich auch der Sinn von Taggeldzahlungen. 

Kann ich von meiner Chefin oder vom Chef verlangen, dass für wichtige Positionen Stellvertreterlösungen organisiert werden?

Auch das ist sehr abhängig von der konkreten Ausgangslage. Bei einer vorgesetzten Person sollte aber immer eine Stellvertretung vorgesehen werden, denn sonst sind die Betriebsabläufe nicht sichergestellt. Gibt es in diesen Fällen keine Stellvertretung, muss diese Arbeit eigentlich die Vorgesetzte der abwesenden Person übernehmen. Wird in einem Betrieb die Frage der Stellvertretung nicht geklärt, deutet das darauf hin, dass die Organisation noch nicht einwandfrei funktioniert. 

MITARBEITENDE UNTER STRESS. Während der Ferienzeit ist der Personalmangel in vielen Branchen sehr hoch. (Foto: shutterstock)

Darf die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber den Arbeitnehmenden vorschreiben, wann sie Ferien machen sollen? 

Nach Obligationenrecht: ja! Nach Art. 329 Abs. 2 OR bestimmt die Firma, wann Mitarbeitende Ferien haben, die Firma muss aber auf die Wünsche der Mitarbeitenden Rücksicht nehmen. Der Gesamtarbeitsvertrag für das Bauhauptgewerbe ist da fortschrittlicher und hält fest, dass der Zeitpunkt der Ferien frühzeitig zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmer vereinbart werden soll, er darf also nicht einseitig festgelegt werden. In der Praxis ist es sinnvoll, dass beide zusammensitzen und das vereinbaren. 

Gibt es eine Regelung, wie viele Prozente der üblichen Anzahl Stellenprozente abgedecksein müssen, damit die Arbeit für die Verbliebenen noch als zumutbar gilt?

Es ist mir nicht bekannt, dass es eine derartige Regelung gibt. Diese Frage muss letztlich in jedem einzelnen Fall geklärt werden. So kann es durchaus vorkommen, dass während der Ferien gewisse Arbeiten «ruhen». Wenn ich auf der Steuerverwaltung arbeite und dort zuständig bin für die Prüfung von Steuererklärungen, wird diese Arbeit während meiner Abwesenheit nicht erledigt. Anders ist es, wenn ich beispielsweise als Chauffeur in der Abfallentsorgung arbeite: Während meiner Ferien muss eine andere Person den Lastwagen führen. In diesen Bereichen muss natürlich im Voraus geklärt werden, wer während meiner Ferien stellvertretend für mich den Lastwagen fährt.  

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