1x1 der Wirtschaft
Neuste Berechnungen zeigen: Die «Gender-Ungleichheit» ist nach wie vor riesig

Eben hat das Bundesamt für Statistik die neusten ­Berechnungen über die Lohn­ungleichheit zwischen Männern und Frauen in der Schweiz veröffentlicht. Danach ist der Unterschied, wenn man den mittleren Lohn zugrunde legt, auf 9,5 Prozent gesunken (2022). Werden allerdings die durchschnittlichen Löhne verglichen, ist der Unterschied mit 18 Prozent fast doppelt so hoch, weil es mehr Männer mit sehr hohen Löhnen gibt.

ABGESCHLAGEN

Wie gross die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern wirklich sind, wird erst dann ersichtlich, wenn die gesamten Erwerbseinkommen und auch die ­Unterschiede beim Arbeitsvolumen zugrunde gelegt werden. Diese Differenz wird von Eurostat mit dem «Gender Overall Earnings GAP» (GOEG) gemessen und beträgt in der Schweiz 43 Prozent, was bedeutet, dass das gesamte Erwerbseinkommen der Frauen um 43 Prozent geringer war als jenes der Männer. Die Hälfte davon ergibt sich aus geringeren Erwerbsarbeitsstunden. Im Vergleich mit den EU-Ländern belegt die Schweiz zusammen mit den Niederlanden, Österreich und Italien dabei die letzten Ränge, vor allem wegen des grossen Unterschieds bei der Erwerbsarbeitszeit, der mit Ausnahme der Niederlande in keinem Land so gross ist wie in der Schweiz. Auch der reine Lohnunterschied ist in der Schweiz nach Estland und Österreich am grössten. Die aus dem GOEG resultierende Einkommenslücke schätzt Ökonomin Mascha Madörin auf insgesamt 100 Milliarden Franken.

SCHLECHTE RENTE

Um neben dem Erwerbseinkommen die gesamten ­finanziellen Ressourcen berücksichtigen zu können, also z. B. auch Vermögenseinkommen, wurden an der Berner Fachhochschule die Unterschiede von Frauen und Männern beim Gesamteinkommen untersucht. Bei Personen im Erwerbsalter beträgt das Medianeinkommen der Frauen nur 57 Prozent des Einkommens der Männer. Nicht über­raschend, dass die Einkommens­lücke bei Personen im Rentenalter ganz ähnlich ist: Rentnerinnen erhalten 58 Prozent des Medianeinkommens der Männer. Dieser Unterschied ist fast ausschliesslich der zweiten und dritten Säule geschuldet (absolute Zahlen siehe Diagramm).

Ein grosser Teil der ungleichen Verteilung der finanziellen Ressourcen zwischen den Geschlechtern entsteht durch die unterschiedliche Aufteilung der bezahlten Erwerbsarbeit und der unbezahlten Haus- und Betreuungsarbeit. Neben der Forderung nach Lohngleichheit muss also vor allem auch hier angesetzt werden.

Hans Baumann ist Ökonom und Publizist.

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