Neues Spitex-Projekt
Profit mit pflegenden Angehörigen? Es geht auch anders!

Aus der Entschädigung von Menschen, die ihre Angehörigen pflegen, machen private Firmen ein Geschäft. Im Kanton Zürich kommt die Spitex neu mit einem viel tieferen Tarif aus. Das entlastet die Gemeinden, bringt aber auch den Angehörigen Vorteile.

OHNE PROFITSTREBEN: Die Spitex hat ein Modell lanciert, das die pflegenden Angehörigen unterstützt und gleichzeitig die Allgemeinheit weniger kostet.

Franziska Brunner* war entsetzt. Sie pflegt und betreut täglich ihre kranke Mutter, um ihr ein Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Von ihrer Care-Arbeit gilt gut eine Stunde pro Tag als «Grundpflege», dafür erhält Brunner eine Entschädigung von der Krankenkasse. Eigentlich eine gute Sache.

Wer kranke Angehörige pflegt, hat allerdings nur Anrecht auf diese Entschädigung, wenn er oder sie sich von einer Spitex-Organisation anstellen lässt. Brunner wählte dafür die Asfam, eine Aktiengesellschaft mit jährlicher Dividendenausschüttung. Die Firma hat sich auf pflegende Angehörige spezialisiert und zahlt ihnen einen Stundenlohn von 34.40 Franken brutto. 

Der Krankenkasse verrechnet die Asfam den Spitex-Tarif von 52.60 Franken pro Stunde, das sah Brunner in den Abrechnungen. Sie sagt: «Ich dachte, die Marge der Asfam besteht aus dieser Differenz.»

«Das kann es doch nicht sein»

Doch dem ist nicht so. Denn die Asfam kassiert zusätzlich Steuergelder, weil sie von einer Finanzierung profitiert, die auf die reguläre Spitex ausgelegt ist. Als sich Brunner, durch die SRF-Sendung «Kassensturz» und mehrere Artikel im work, dessen bewusst wurde, begann sie zu recherchieren.

Und tatsächlich: Im Kanton Zürich, wo Brunner ihre Mutter pflegt, zahlt die Gemeinde der Spitex, und damit auch der Asfam, zusätzlich 29 Franken pro Stunde. Demnach nimmt die Asfam pro Arbeitsstunde über 80 Franken ein. Brunner sagt:

Als ich das merkte, wurde ich wütend. Ich leiste die Pflege, und die Asfam macht daraus Profite? Das kann es doch nicht sein.

Ein Gegenmodell

Auch die gemeinnützige Spitex im Kanton Zürich stört sich am Gebaren der Asfam und anderer Firmen wie Pflegewegweiser oder Arana Care. Claudia Schade vom kantonalen Spitex-Verband sagt:

Es entspricht nicht der Idee der Spitex, vor allem in die eigene Tasche zu wirtschaften.

Der Verband hat deshalb ein Modell lanciert, mit dem sich Angehörige bei der lokalen Spitex anstellen lassen können. So können sie ihre Entschädigung geltend machen, ohne dabei Firmen zu unterstützen, die nach Profit streben.

Das Modell hat es in sich. Denn der Verband hält fest, dass der Aufwand im Vergleich zur herkömmlichen Spitex deutlich tiefer ist. Die Spitex habe auch nicht das Ziel, mit diesem Angebot einen Ertrag zu erzielen. Claudia Schade: «Wir sehen das als weitere Dienstleistung gegenüber den Gemeinden.» Deshalb empfiehlt der Verband den lokalen Spitex-Organisationen, beim Anstellen von pflegenden Angehörigen auf Beiträge der Gemeinde zu verzichten. Schade sagt, der Krankenkassentarif von 52.60 Franken pro Stunde reiche aus, um die Kosten zu decken.

Dicke Post für Asfam und Co. Denn wenn eine Spitex mit 52.60 Franken auskommt, eine private Firma aber über 80 Franken beansprucht, nährt das den Verdacht, dass irgendjemand abkassiert.

Ein freier Tag für Angehörige

Und die gemeinnützige Spitex geht noch weiter. Trotz Verzicht auf Subventionen zahlt sie den Angehörigen einen höheren Lohn als die Privaten, nämlich 38 Franken pro Stunde. Um die Angehörigen nicht zu überlasten, werden sie für maximal sechs Arbeitstage pro Woche angestellt, auf Wunsch auch für weniger. An den freien Tagen übernehmen die Spitex oder Drittpersonen die Pflege. Und selbstverständlich, so Schade, «hat die örtliche Spitex die nötige Erfahrung, Expertise und die lokale Verankerung, um die gepflegten Personen und ihre Angehörigen auch in komplexen Situationen zu unterstützen».

Derzeit bieten im Kanton Zürich 20 lokale Spitex-Betriebe das neue Modell an, Tendenz steigend. Laut Claudia Schade interessieren sich auch die Spitex-Verbände Luzern und Aargau für das Zürcher Modell.

Franziska Brunner hat sich bereits entschieden. Kürzlich hat sie mit der Spitex Kontakt aufgenommen. Sie will, sagt sie, lieber heute als morgen ins neue Spitex-Modell wechseln und ihren Vertrag mit der Asfam kündigen: «Seit ich weiss, dass die mit mir Gewinn erzielen, stimmt es für mich überhaupt nicht mehr, dort zu arbeiten.»

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