Schockierende Ergebnisse aus Umfrage unter Lernenden
«Sie gaben mir jeden Tag das Gefühl, nutzlos zu sein!»

Eine neue Studie zeigt auf, dass sich die Ausbildungsbedingungen für Lernende in der Schweiz dringend verbessern müssen. Plattenleger Pau Robert-Prous (21) spricht bei der Pressekonferenz der Unia-Jugend über Mobbing, Druck und Diskriminierung, die er in seiner Lehre ertragen musste.

KÄMPFERISCH: Pau Robert-Prous hat in seiner Lehre schlechte Erfahrungen gemacht. Jetzt setzt er sich dafür ein, dass es anderen besser ergeht. (Foto: Franziska Scheidegger)

Mit dem Ende seiner Ausbildung will Pau Robert-Prous (21) endlich mit den Missständen während seiner dreijährigen Lehre aufräumen. Er hat diesen Sommer sein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis als Plattenleger entgegengenommen. Bei der Pressekonferenz der Unia-Jugend erzählt der 21Jährige: «Sie gaben mir jeden Tag das Gefühl, nutzlos zu sein! Als ob alles, was ich machte, gegen mich verwendet würde. Deshalb möchte ich für die Lernenden kämpfen, ihnen die Hand reichen. Die Hand, die mir und Tausenden von Lernenden nie gereicht wurde.»

Die Zeit in seinem Lehrbetrieb haben beim 21Jährigen tiefe Spuren hinterlassen. Als Azubi wurde er ignoriert, man hörte ihm nicht zu und nahm in nie ernst. Er sagt:

Das heisst ich habe überhaupt keine angenehme Erfahrung während meiner Lehre gemacht. Das hat Spuren bei mir hinterlassen. Ich habe viel von meinem Selbstvertrauen verloren und habe viele Sorgen.

Weil die Arbeit als Plattenleger ein körperlich strenger Beruf ist, hat er heute Rückenprobleme und Schmerzen im Knie. «Ich will, dass das aufhört! Wir Lernende haben das Recht, in einem gesunden Arbeitsumfeld einen Beruf zu erlernen», so der 21Jährige. Was Plattenleger Pau Robert-Prous in seiner Lehrzeit erleben musste, ist kein Einzelfall. Das zeigen schockierende Ergebnisse einer Umfrage unter Lernenden.

Alarm schlagen!

Die Gewerkschaft Unia hat 1100 Lernende befragt, wie es ihnen in der Ausbildung gehe. Die Resultate sind besorgniserregend: 92.4 Prozent der Lernenden empfinden Stress am Arbeitsplatz. Zudem erleben laut Umfrage 27.9 Prozent der Frauen und 7.8 Prozent der Männer sexuelle Belästigung im Lehrbetrieb. Hinzu kommt, dass mehr als ein Drittel der befragten Lernenden Rassismus erfahren mussten. Félicia Fasel, nationale Jugendsekretärin der Unia, sagt dazu:

Diese Ergebnisse zeigen: den Lernenden in der Schweiz geht es nicht gut. Deshalb fordern wir als Gewerkschaft, dass Lernende in Gesamtarbeitsverträgen dringend mehr berücksichtigt werden müssen!

Félicia Fasel, Jugendsekretärin der Unia. (Foto: Franziska Scheidegger)

Denn viele Betriebe verstossen bei ihren Stiftinnen und Stiften gegen das Schweizer Arbeitsgesetz. Laut Umfrage arbeiten 55.5 Prozent mehr als 9 Stunden pro Tag. Das ist nicht nur illegal, sondern führt zu chronischem Stress, körperlicher Erschöpfung, Schlafstörungen und einer generellen Verringerung der Lebensqualität bei den Jüngsten in der Arbeitswelt. Fasel: «Es geht darum, Alarm zu schlagen und auf die Problematiken in der Lehre aufmerksam zu machen.»
 
Dies unterstrich auch Soziologin Sabine Jacot, die als unabhängige Expertin die Umfrageergebnisse der Unia unter die Lupe nahm. Sie sagt:

Die Ergebnisse zeigen, dass Lernende eine vulnerable Bevölkerungsgruppe sind. Die Gesundheit der Lernenden am Arbeitsplatz stellt grosse Herausforderungen dar.

Soziologin Sabine Jacot. (Foto: Franziska Scheidegger)

Umso wichtiger sei es, die Ausbildungsbedingungen zu verbessern und das Wohlbefinden der jungen Menschen in der Lehre zu gewährleisten. Patricia Biner, Co-Präsidentin Berufsbildung Schweiz, ergänzt an der Pressekonferenz:

Der Einstieg in die Arbeitswelt trägt eine Flut von erhöhten Anforderungen an Jugendliche heran, in einer Phase, in der sie bereits mit zahlreichen entwicklungsbedingten Herausforderungen konfrontiert sind.

Patricia Biner, Co-Präsidentin Berufsbildung Schweiz. (Foto: Franziska Scheidegger)

Sie sieht eine grosse Verantwortung, nicht nur bei den Lehrbetrieben, sondern auch bei Lehrpersonen in den Berufsfachschulen.

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