Chronologie der Schande
So demontiert sich die Migros selbst

Beim orangen Riesen brodelt es gewaltig. Hunderte Entlassungen wurden bereits ausgesprochen, Hunderte sind noch geplant. Während die Unia gegen die Kündigungen kämpft, erholt sich Migros-CEO Mario Irminger in den Bergen.

ES IST IHM ALLES EGAL. Migros-CEO Mario Irminger vergnügt sich lieber in den Bergen. (Montage: work)

In den vergangenen Wochen überschlugen sich die Ereignisse bei der Migros. Ochsner Sport übernimmt SportX, Media Markt übernimmt M-Electronics, und fast 200 Personen wurden bereits auf die Strasse gestellt, Hunderte sollen noch folgen. Der orange Riese fällt Stück für Stück in sich zusammen. Und wie geht es dem CEO mit seinem Kahlschlag? In einem Interview mit der «Sonntagszeitung» äusserte sich Mario Irminger (59) zur Frage, ob er bei den persönlichen Schicksalen eine Lösung suche oder sich abgrenze, wie folgt: «Die persönlichen Schicksale würden mich unendlich belasten, wenn ich mich nicht abgrenzen würde. Dafür hilft mir Zeit und etwas Ruhe. Am Wochenende gehe ich gerne in die Berge, um meinen Kopf zu lüften. Dabei trage ich diese Gedanken mit.» Na dann, schönes Wochenende! 

Aussen sozial, innen gewerkschaftsfeindlich 

Bei Abbauprojekten dieser Grössenordnung verhandeln Unternehmen normalerweise mit den Gewerkschaften. Nicht so die Migros. Denn sie kann die Gewerkschaften nicht riechen, besonders nicht die grösste unter ihnen. Wie work bereits berichtete (zum workbeitrag), hat der Dutti-Konzern eine lange Vorgeschichte mit der Unia. Bevor die Unia entstand, war die Gewerkschaft VHTL während 30 Jahren Teil des Migros-GAV. Doch als die VHTL entschied, sich der Unia anzuschliessen, schmiss sie die Migros 2003 aus dem Vertrag. 2004 liess sich die Migros trotzdem noch zu Verhandlungen mit der neuen Unia herab. Man fand einen Kompromiss, beide Seiten stimmten zu. Doch nachträglich verlangte die Migros, dass die Vertragspartner auf jegliche öffentliche Auseinandersetzung verzichteten. Ein Maulkorb, den die Unia nicht akzeptieren konnte. Zwei Jahre später zieht auch die Gewerkschaft Syna die Reissleine.

(Quelle: Migros)

Seither fährt die Migros unbeirrt weiter auf der antigewerkschaftlichen Spur. Sämtliche Treffen, die die Unia angeregt hat, werden rigoros abgeblockt. Akzeptierte Vertragspartner sind im aktuellen Migros-GAV bloss der Kaufmännische Verband, der Metzgereipersonal-Verband und die hauseigene Migros-Landeskommission. Alles Körperschaften, die nicht gerade mit offensiven Positionen auffallen. Somit fehlt im Migros-GAV eine unabhängige Gewerkschaft, die Verkäuferinnen und Verkäufer vertritt. Wie lange noch?

Die Migros-Misere nach Monaten

Im Januar wird bekannt, dass die Migros-Spitze Berater von McKinsey engagiert hat. Es sind knallharte Jobvernichter. Zum Beispiel messen sie die Arbeitsleistung von Angestellten und beraten so die Chefetage darüber, wo sie wie viel «Sparpotential» sehen. 

Das Resultat folgt schon Anfang Februar. Die Migros-Spitze kündigt an, bis zu 1500 Jobs zu streichen. Zudem will sie Unternehmensbereiche wie M-Electronics, SportX und Hotelplan verkaufen. Was die betroffenen Mitarbeitenden unter den neuen Firmen erwarten wird – völlig unklar. Auch im grössten Stellenabbau der Firmengeschichte wollen die Migros-Chefs nichts von einem Treffen mit der Unia wissen.

Bereits im März verkündet Migros Neuigkeiten, die den Megaabbau noch mehr in Frage stellen: Der Konzern verzeichnet einen neuen Rekordumsatz und bleibt die unbestrittene Nummer eins im Schweizer Detailhandel. Für die Unia ein klares Signal: Geld ist vorhanden – Nein zu Entlassungen!

Im Mai macht die Migros Nägel mit Köpfen: Die ersten 150 Stellen werden gestrichen. Ein mehr schlecht als recht kommunizierter Sozialplan lässt die Mitarbeitenden enttäuscht zurück. Zumal der Plan so sozial gar nicht ist. So sollen nur langjährige und über 50jährige Angestellte mit einem Stellenangebot innerhalb des Konzerns rechnen können. Die Unia fordert deshalb bessere und transparente Sozialpläne, die nicht einfach vorgesetzt, sondern von den Beschäftigten und ihren Vertreterinnen verhandelt werden.

«Stop Kündigungen!»: Im Juni organisiert die Unia an 60 Migros-Standorten in der Schweiz einen Aktionstag. Vor diversen Filialen prangern Gewerkschaftssekretärinnen und -sekretäre das untragbare Verhalten der Migros-Spitze an und informieren die Kundschaft über die unsoziale Abwicklung der Reorganisation. Weiterhin verweigert die Migros jegliche Gespräche mit der Gewerkschaft.

Erst kürzlich im Juli die nächste Schlagzeile: Ochsner Sport übernimmt 27 der 49 SportX-Standorte. Wie die Lohn- und Arbeitsbedingungen für die übernommenen Mitarbeitenden sind, bleibt jedoch unklar. Weiter gehen durch diese Übernahme 95 Stellen in der Migros-Zentrale verloren. Die Unia fordert von der Migros, den Angestellten müssten unter dem neuen Dach zumindest die gleichen Bedingungen garantiert und etwaige Verluste ausgeglichen werden.

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