Das offene Ohr
Verunfallt: Ab wann gibt es eine Rente der Unfallversicherung?

Myriam Muff von der Unia-Rechtsabteilung beantwortet Fragen aus der Arbeitswelt.

Vor ein paar Monaten hatte ich einen Unfall. Zurzeit erhalte ich Unfalltag­gelder und hoffe, dass meine Verletzungen ganz ausheilen und ich meine ­körperliche Arbeit wieder voll ausüben kann. Was, wenn das doch nicht der Fall sein wird? Erhalte ich dann eine Unfallrente, und falls ja, ab wann?

NACH DEM UNFALL: Nur wer beeinträchtigt bleibt, erhält eine Rente. (Foto: Adobe)

MYRIAM MUFF: Ja, in dem Fall hätten Sie Anspruch darauf. Damit Sie eine ­Unfallrente erhalten, braucht es eine bleibende Beeinträchtigung in der Erwerbsfähigkeit. Als erwerbsunfähig gilt, wer trotz Behandlung und Eingliederungsversuchen, etwa nach einem ­Unfall, bei der Arbeit beeinträchtigt bleibt. Ob und in welcher Höhe Sie eine Rente ­erhalten, hängt vom sogenannten Invaliditätsgrad ab. Dabei ist wichtig zu wissen, dass die Invalidität wirtschaftlich zu verstehen ist und nicht medizinisch. So wird ermittelt, welches Einkommen Sie auf dem Arbeitsmarkt erzielen könnten, also an einer theoretischen Stelle, unabhängig davon, ob eine solche Stelle wirklich ­vorhanden ist oder nicht. Dies ergibt das sogenannte Invalideneinkommen. Das Einkommen, das Sie ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen erzielen konnten, nennt sich «Valideneinkommen». Der Invaliditätsgrad ergibt sich aus dem prozentualen Verhältnis zwischen dem Valideneinkommen und dem Invalideneinkommen. Während es in der Invalidenversicherung erst ab einem Invaliditätsgrad von 40 Prozent eine Invalidenrente gibt, bezahlt die Unfallversicherung ­bereits bei einem Invaliditätsgrad ab 10 Prozent eine Rente. Die Rente bemisst sich auf der Basis von 80 Prozent des versicherten Verdienstes, also des Lohnes, den Sie innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogen haben. Daraus berechnet sich dann je nach Höhe des Invaliditätsgrades die Rentenhöhe.

Bei IV: Was ist eine Komplementärrente?

Im Anschluss an meine obige Frage habe ich noch eine weitere: Was ist ­eigentlich eine Komplementärrente? Meine Cousine hat nämlich bereits eine Invalidenrente der Invalidenversicherung (IV) und vor über einem Jahr auch einen Unfall gehabt. Im Zusammenhang mit diesem Unfall wurde ihr in Aussicht ­gestellt, zusätzlich zur Rente der IV eine sogenannte Komplementärrente zu ­erhalten. Läuft da etwas falsch? Hat sie nicht einfach nach dem Prinzip, das Sie mir oben erklärt haben, Anspruch auf eine «normale» IV-Rente der Unfallver­sicherung?

MYRIAM MUFF: Nein, höchstwahrscheinlich läuft da nichts falsch. Von einer Komplementärrente wird nämlich dann gesprochen, wenn eine versicherte ­Person bereits eine Rente der IV oder der AHV hat und die Renten der Unfallversicherung und der IV zusammen einen ­Betrag ergäben, der grösser wäre als die entstandene Erwerbseinbusse. Um dies zu vermeiden, erhalten solche Versicherte die sogenannte Komplementärrente. ­Diese entspricht der Differenz zwischen 90 Prozent des versicherten Verdienstes und der Rente der IV oder AHV, höchstens aber dem für Voll- oder Teilinvalidität vorgesehenen Betrag.

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