Meilenstein für Spengler, Sanitärinnen, Heiziger & Co:
Endlich kommt die Frühpension!

Zwei Jahre lang haben Gewerkschaften und Gebäudetechnik-Patrons verhandelt – jetzt steht der neue GAV. Mit der Frühpension gelingt ihm ein Sprung nach vorne und auch sonst winken Fortschritte. Doch bei der neuen Überstunden-Regel scheiden sich die Geister.

SCHLUSS MIT HALBPATZIGEN GAVS! (Foto: Unia)

«Her mit dem guten GAV!» So und ähnlich tönte es am 7. Oktober 2023 in den Strassen von Zürich. Dort hatten sich damals über 1000 Gebäudetechniker und Stromerinnen zur Demonstration versammelt. Ihr Ziel: Druck aufsetzen auf die Arbeitgeberverbände EIT.swiss und Suissetec, die mit den Gewerkschaften gerade neue Gesamtarbeitsverträge (GAV) aushandelten. Bessere Arbeitsbedingungen sind schliesslich dringend nötig. Um die Berufsleute in der Branche zu halten und neue anzulocken. Die sind nicht nur nötig, weil die bestehenden Teams längst chronisch am Limit sind. Sondern auch weil der ökosoziale Umbau in allen Bereichen Tausende neue Gebäudetechnikerinnen und Elektriker verlangt. Für ihre Kampagne hatten sich die beiden verwandten Berufsgruppen jedenfalls zusammengeschlossen und sich gegenseitige Unterstützung zugesichert.

Solidarität gewinnt

Jetzt zeigt sich: Die Strategie ging auf. Zwar ist der neue Stromer-GAV noch nicht unter Dach und Fach. Der GAV Gebäudetechnik aber ist es. Die in der Unia organisierten Büezerinnen und Büezer haben dem Verhandlungsresultat schon an ihrer Branchenkonferenz im Mai zugestimmt. Die Delegierten des Arbeitgeberverbands Suissetec taten dasselbe am 21. Juni. Somit gilt ab 2025 bis 2028 definitiv ein neuer GAV – und zwar für alle 25 000 Arbeitnehmenden und alle Arbeitgebenden in Installations-, Reparatur- und Servicefirmen, die innerhalb und an der Gebäudehülle tätig sind in den Bereichen Spenglerei, Sanitär, Heizung, Klima/Kälte, Lüftung und Solarinstallation.

Doch was ändert sich nun? work nennt die 6 wichtigsten Punkte:

  1. Einführung der Frühpensionierung: Das Tessin und die Romandie hatten sie bereits. Jetzt kommt die Frühpensionslösung endlich auch für die Deutschschweiz. Damit erfüllt sich ein lang ersehnter Wunsch der Berufsleute. So stand die Frühpensionierung an zweitoberster Stelle auf der Forderungsliste der nationalen Unia-Branchenkonferenz. Als noch dringender wurden bloss Lohnerhöhungen erachtet. Nun also ist sie da, die Frühpension, wenn auch noch in überschaubarem Umfang.
    Um Leistungen zu beziehen, müssen Arbeitnehmende mindestens 15 Jahre lang in der Branche gearbeitet haben, in den letzten sieben Jahren ununterbrochen. Aber ein Rückzug aus dem Berufsleben ist immerhin bereits mit 60 Jahren möglich, allerdings beträgt die Rente dann bloss 36 Prozent des Monatslohns. Mit 61 Jahren gibt es 44 Prozent, mit 62 Jahren 54 Prozent und mit 62,5 Jahren die vollständigen Altersleistungen (72 Prozent des Monatslohns). Die ersten Renten sollen spätestens 2027 fliessen.
  2. Mehr Lohn: In den nächsten vier Jahren werden die Mindestlöhne deutlich angehoben. Konkret gibt es bis 2028 zwischen 500 und 600 Franken mehr für Installateurinnen und Installateure mit Eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ). Jene ohne Lehrabschluss bekommen mindestens 300 bis 400 Franken mehr. Und um sicherzustellen, dass eine allfällige Teuerung nicht alles wieder auffrisst, wurde eine vertragliche Neuerung eingeführt: Überschreitet die offizielle Inflation 0,5 Prozent, sind automatische Lohnerhöhungen garantiert. Die Anpassungen erfolgen nach einem vordefinierten und der jeweiligen Teuerungsrate angepassten Schlüssel.
  3. Höhere Mittagszulagen: Bisher gab es eine Mittagszulage nur dann, wenn der externe Arbeitsort mehr als 10 Kilometer von der Firma entfernt war. Neu entfällt dieser Radius! Eine Mittagszulage erhält fortan einfach, wer über Mittag nicht in die Firma zurückmuss – also praktisch jede und jeder. Und erstmals haben auch Lernende ein Recht auf Mittagsspesen. Diese steigen für alle von 15 auf 17 Franken.
  4. Karenztag abgeschafft: Im Krankheitsfall gab es bisher einen Karenztag, für den kein Lohn entrichtet wird. Künftig wird auch der erste Krankheitstag schon entschädigt.
  5. Rayon-Begrenzung bei Reisezeit: Der Weg von zuhause bis zur Firma ist nicht bezahlt, jener von der Firma auf die Baustelle dagegen schon. Das bleibt gleich wie bisher. Neues gilt aber für den Weg von zuhause direkt auf die Baustelle: Entweder muss die Firma, wie bisher, jene Reisezeit bezahlen, die die benötigte Zeit zwischen Wohnort und Firma übersteigt. Oder aber sie kann, ebenfalls wie bisher, rund um den Betrieb ein Rayon festlegen. Befindet sich die Baustelle innerhalb dieses Rayons wird die Fahrtzeit nicht bezahlt. Bisher konnten die Firmen diesen Rayon beliebig gross definieren. Neu darf er 15 Minuten Fahrtzeit nicht überschreiten. Durch diese Begrenzung werden mehr Fahrten bezahlt und die Arbeitstage somit tendenziell kürzer. Der Nachteil: Das leidige Rayon-Prinzip bleibt möglich, wenn auch begrenzt und nur für Mitgliedsfirmen von Suissetec.
  6. Überstundenzuschlag auch unter dem Jahr: Neu werden die Überstunden jeweils nicht erst am Jahresende, sondern jeden Monat aufs Neue kompensiert ­– und zwar mit Lohn- oder Zeitzuschlag von 25 Prozent, sofern 45 Stunden pro Woche überschritten wurden. Damit sollen überlange Arbeitswochen von bis zu 50 Stunden für den Arbeitgeber «teurer» und somit weniger attraktiv werden. So zumindest sah es die Mehrheit an der Unia-Berufskonferenz. Es gab aber auch Widerspruch. Denn die Sache mit den Überstunden hat einen Haken: Normalarbeitszeit im GAV beträgt nämlich weiterhin 40 Stunden pro Woche, doch Überstundenzuschläge gibt es erst ab 45 Stunden.

Gebäudetechniker und Unia-Delegierter Mario Herbaum (40) sagt zur Überstunden-Kontroverse:

Überstunden entstehen fast immer wegen Planungsfehlern der oberen Etagen. Aber ausbaden müssen es immer wir Arbeiter – und jetzt sollen wir noch wöchentlich 5 Überstunden zuschlagsfrei arbeiten!?

Herbaum befürchtet, dass so die 45-Stundenwoche zur Norm werden könnte. Schliesslich könne sie der Chef ja zum normalen Tarif anordnen.

An der Branchenkonferenz war jedoch die Mehrheit von Herbaums Kolleginnen und Kollegen zu diesem Kompromiss bereit. Argumente hatten schliesslich auch sie. So gibt es heute den 25-Prozent-Zuschlag erst am Jahresende und erst ab einem Jahrestotal von 120 Überstunden. Listige Chefs können damit sehr arbeitsintensive Wochen mit schwachen Wochen so kombinieren, dass im Dezember die Jahreslimite nicht oder nur minim überschritten wird. So kommen die überlangen Schichten der Büezer die Chefs nicht teuer zu stehen.

Demonstration für mehr Lohn, weniger Druck und Frühpensionierung. (Foto: Unia)

Ein klarer Pluspunkt ausserdem: Künftig können die Angestellten mehr darüber bestimmen, wie sie ihr Überstundensaldo kompensiert haben wollen. Konkret darf am Jahresende gewählt werden, wie die Hälfte des Überstundensaldos, das sich zwischen 41 und 45 Stunden pro Woche angehäuft hat, kompensiert werden soll. Zur Option stehen Urlaub oder Auszahlung ohne Zuschlag. Und die Kompensation der Überstunden ab 45 Stunden pro Woche kann komplett durch die Arbeitnehmenden bestimmt werden. Bis anhin hatte der Arbeitgeber das letzte Wort hierzu.

Klingt kompliziert? Ist es wohl auch. Jedenfalls verbuchen die Arbeitgeber die neue Überstundenregelung unter dem Strich als Erfolg auf ihrer Seite, sie schaffe «mehr Flexibilität», schreibt Suissetec. 

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