Lehrabbrüche und misslungene Abschlussprüfungen
Lernende zu Unrecht an den Pranger gestellt

Jeder vierte Lernende bricht die Lehre ab. Daran sind sie nicht selber schuld.  Das zeigt jetzt eine Untersuchung der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung.

ZUSAMMENSPIEL: Bei einer Lehre ist es entscheidend, ob sich der Ausbildner genügend Zeit für die Lernende nehmen kann. (Foto: Keystone)

Damit mehr Lernende ihre Berufslehre erfolgreich abschliessen, muss sich die Ausbildungsqualität in den Betrieben verbessern. Die Mehrheit der Lehrabbrüche findet noch im ersten Ausbildungsjahr statt. Das zeigen im Jahr 2023 erhobene Zahlen vom Bundesamt für Statistik. Wieso wird jede vierte Lehre abgebrochen? Eine neue Untersuchung gibt Antworten.
 
Im Auftrag vom Bund untersuchte die Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) die Qualität der Berufslehren. Die EHB befragte 2700 Lehrbetriebe zu sieben Aspekten, welche die Ausbildungsqualität massgeblich beeinflussen. Das Ergebnis: Die Ausbildungsqualität in den Lehrbetrieben ist für die Jugendlichen entscheidend. Zum einen reduziert ein guter Ausbildungsprozess das Risiko, dass Lehrverträge aufgelöst werden. Zum anderen beeinflusst die Qualität der Ausbildung, wie gut die jungen Berufsleute an den Lehrabschlussprüfungen abschneiden.

Betriebe in der Verantwortung

Bei gescheiterten Abschlussprüfungen oder Lehrabbrüchen werden oft die Lernenden an den Pranger gestellt. Doch was, wenn der Betrieb sich schlicht nicht genügend um den Nachwuchs kümmert? Ausbildungsbetriebe können bereits mit kleinen Änderungen Misserfolge drastisch reduzieren. Laut der Untersuchung sind in Lehrbetrieben, die ihren Lernenden besonders abwechslungsreiche Aufgaben zuteilen und sie ermuntern, eigene Lösungen zu finden, die Misserfolgsquoten rund 10 Prozent tiefer.
 
Das Fazit: Ausbildnerinnen und Ausbildner müssen mehr Zeit für ihre Lernenden erhalten. Die Verantwortung liegt bei den Lehrbetrieben. Wichtig ist auch die Initiative der Branchen sowie der Verbundpartner. Die Berufsbildung ist eine Aufgabe von Bund, Kantonen und Organisationen der Arbeitswelt. Gemeinsam müssen sie sich besser für eine qualitativ hochstehende Berufsbildung einsetzen.
 
Forderungen, welche die Jugend der Gewerkschaft Unia schon lange stellt. Vor wenigen Monaten veröffentlichte sie die Ergebnisse einer Umfrage unter 1100 Lernenden zur Ausbildungsqualität und darüber, wie es ihnen in der Lehre geht. Die Resultate sind besorgniserregend (work berichtete).

Mobbing, Druck und Diskriminierung

92,4 Prozent der Lernenden empfinden Stress am Arbeitsplatz. Zudem erleben laut Umfrage 27,9 Prozent der Frauen und 7,8 Prozent der Männer sexuelle Belästigung im Lehrbetrieb. Hinzu kommt, dass mehr als ein Drittel der befragten Lernenden Rassismus erfahren mussten. Félicia Fasel, nationale Jugendsekretärin der Unia, sagt dazu:

Diese Ergebnisse zeigen: Den Lernenden in der Schweiz geht es nicht gut. Deshalb fordern wir als Gewerkschaft, dass Lernende in Gesamtarbeitsverträgen dringend mehr berücksichtigt werden müssen!

Unia-Jugendsekretärin Félicia Fasel. (Foto: Tanja Lander)

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