Detailhandelskonzern Manor schasst 15 Mitarbeitende
«Manor: Nimm deine Verantwortung wahr!»

Mitten in den Sommerferien schickt Manor 15 Büezerinnen und Büezern des Logistikstandorts Bussigny VD den blauen Brief. Viele erhalten nicht mal eine Abfindung. Doch mutige Betroffene nehmen das nicht hin.

DAS WAR ERST DER ANFANG: Die Unia-Leute und die geschassten Angestellten bei ihrer Protestaktion vor der Manor-Filiale in Lausanne. (Foto: Olivier Vogelsang)

Es ist der 27. August, Mittagszeit: Vor dem Haupteingang der Manor-Filiale in Lausanne schwingen die Unia-Fahnen, die Protestierenden verteilen Flyer an die Kundinnen und Kunden. Die Botschaft darauf: «Manor: Nimm deine Verantwortung wahr!» Die Beschäftigten, die hier Flugblätter verteilen, beweisen Mut. Denn ihr Arbeitgeber hatte sie schriftlich aufgefordert, nicht an der Aktion teilzunehmen. Ihr Antrieb ist die Ungerechtigkeit, die ihnen widerfahren ist.
 
Doch was ist passiert? Ein Manor-Mitarbeiter berichtet: «Ich bin aus den Ferien zurückgekommen und habe ein Kündigungsschreiben im Briefkasten gefunden. Obwohl ich viele Jahre dort gearbeitet habe, bekomme ich keine Abfindung, und sie bieten mir keine andere Stelle an.» Ein weiterer Protestierender schaltet sich ein. Die Verzweiflung ist ihm anzusehen. Er sagt:

Ich bin über 60 Jahre alt. Wo soll ich noch eine Stelle finden?

Besorgt um seine Zukunft ist auch ein junger Mann. Er erzählt, dass er sich im letzten Lehrjahr seiner Ausbildung befinde und nun nicht wisse, wie er diese abschliessen könne. Ja, er habe in den letzten Monaten gemerkt, dass das Arbeitsvolumen zurückgegangen sei. Doch man habe ihm stets gesagt, er müsse sich keine Sorgen machen. Bis dann die Kündigung ins Haus flatterte. Er sagt: «Wäre ich früher informiert worden, hätte ich eine andere Stelle suchen können.»
 
Die Mitarbeitenden des Manor-Logistikzentrums in der Waadtländer Gemeinde Bussigny erfuhren Ende Juni, dass sie ab Ende September ohne Arbeit dastehen würden. Sich mitten in der Sommerferienzeit neu zu orientieren ist ein schwieriges Unterfangen. 

Eine lausige Abfindung

Und dann zeigt sich Manor auch noch knausrig. Wie Unia-Mann Pascal Vosicki sagt, belaufe sich die angebotene Abfindung auf einen Monatslohn pro zehn Jahre Betriebszugehörigkeit. Und dies auch nur für Personen ab 50 Jahren. Man habe versucht, mit Manor zu verhandeln. Doch die Forderungen der Gewerkschaften seien alle abgeschmettert worden. Dieser Grossakteur des Detailhandels schliesse einen Standort ohne verständliche Gründe und lasse die Mitarbeitenden einfach fallen. Und wenn diese sich dann mit einer Protestaktion wehren wollten, werde ihnen mit fristloser Kündigung gedroht. Vosicki:

Das ist schockierend und skandalös!

Gewerkschaftskollege Aymen Belhadj pflichtet bei und sagt, dass man mit Manor zurück an den Verhandlungstisch kehren wolle. Die Forderung ist klar: eine übliche finanzielle Entschädigung und finanzielle Unterstützung für Büezerinnen und Büezer, die bei einer neuen Arbeitsstelle Lohneinbussen hinnehmen müssen.

Manor verteidigt sich

Auf Anfrage schildert der Detailhandelskonzern seine Version der Geschichte: Man habe für 75 Prozent der Mitarbeitenden des Standorts in Bussigny eine «Lösung für die Zukunft» gefunden. Und weiter: «Wir möchten also bekräftigen, dass wir uns bemühen, für die Betroffenen entweder eine Möglichkeit zu finden, ihre Tätigkeit an einem anderen Manor-Standort fortzusetzen, oder andere Lösungen zu finden.»
 
Den Entscheid übrigens, den Standort in der Waadt zu schliessen, begründet das Unternehmen mit der Strategie, «die Verwaltung der globalen Lebensmittellogistik in der Verteilzentrale in Rickenbach LU zu zentralisieren, um eine nachhaltig wettbewerbsfähige Logistik zu gewährleisten». 

* Dieser Artikel erschien zuerst in der französischsprachigen Unia-Zeitung «L’Evénement syndical» und erscheint hier in einer leicht abgeänderten Version. Zum Originalbeitrag geht es über diesen Link.

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