SGB-Chefökonom Daniel Lampart zum BVG-Bschiss
«Rentenverbesserungen existieren nur in den Tabellen des Bundes»

Nach dem AHV-Pfusch-Geständnis des Bundes haben die Expertinnen und Experten die Bundeszahlen zur BVG-Reform noch einmal gründlich angeschaut. Ihr Fazit ist vernichtend. Die Bundesberechnungen sind «irreführend», die Bundesschätzungen «abenteuerlich». Bereits ab einem Monatslohn von 4000 Franken sinken die Renten.

NOT AMUSED: SGB-Chefökonom Daniel Lampart (l.) und Gabriela Medici, Leiterin Sozialversicherungen beim SGB, an der Medienkonferenz vom Dienstag in Bern. (Foto: Keystone)

Es hat lange gedauert, bis das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) endlich eingestanden hat: Wir haben die AHV systematisch schlechtgerechnet (zum Artikel). Die Gewerkschaften haben das immer gesagt. Und ihre Expertinnen und Experten haben nach dem BSV-Geständnis die BSV-Zahlen zum BVG-Beschiss noch einmal noch genauer geprüft. Vernichtendes Fazit: Alles noch viel schlimmer! Und dabei war doch schon das bislang Bekannte schon ziemlich übel.

Das Pensionskassensystem ist überaus undurchsichtig. Wer am Ende des Arbeitslebens genau wie viel Rente bekommt, ist kaum präzise vorherzusagen. Es gilt:

Wer es sich einfacher machen will, fährt am besten damit, davon auszugehen, dass es sicher weniger Rente aus der Pensionskasse gibt, als die Versicherer versprechen, dies aber sicher mehr Lohnabzüge kostet als angegeben. 

Zahlen aus dem BSV

So ist es auch mit der BVG-Reform, über die wir am 22. September abstimmen. Sie ist ein Bschiss und ein Pfusch, wie die Gewerkschaften seit den Verhandlungen im Parlament anprangern. Und der Pfusch und der Bschiss sind noch grösser als bisher angenommen. Das zeigt sich, nachdem die Expertinnen und Experten des Gewerkschaftsbundes sich die offiziellen Zahlen des Bundes noch einmal noch genauer angeschaut haben. Verantwortlich für die Zahlen ist das Bundesamt für Sozialversicherungen. Es hat erst vor wenigen Wochen nach jahrelangem Druck der Gewerkschaften endlich zugegeben, dass die von ihm erstellten AHV-Prognosen das wichtigste Sozialwerk während Jahren um Milliarden Franken zu schlecht dargestellt haben. Weil mit diesen Fake-Zahlen bürgerlicher Abbau gemacht wurde und unter anderem den Frauen ein Jahr Rente geklaut wurde, muss sich das Bundesgericht damit befassen.

Während der Bund die Perspektiven der AHV jahrelang massiv zu schlecht dargestellt hat, stellt er die Auswirkung der BVG-Revision auf die Versicherten und die Pensionierten wesentlich zu gut dar.

Die Sache mit dem Lohn

Selbst bei den offiziellen Angaben müssen Arbeitende bei einem Monatslohn von rund 5500 Franken mit weniger Renten rechnen. Das ist schlimm genug. Aber es ist in der Realität noch schlimmer. Denn die Bundeszahlen basieren auf der völlig wirklichkeitsfremden Annahme, dass sich die Löhne während des ganzen Arbeitslebens nicht verändern. Alle wissen: Das ist nicht die Realität. Die Löhne steigen, weil wir zumindest bis ins Alter von 50 Jahren erfahrungsbedingt mehr verdienen. Und weil die Wirtschaft produktiver wird. Fazit der Rechnung, die Realitäten berücksichtigt:

Bei einem Ja zum BVG-Bschiss sinken die Pensionskassen-Renten bereits ab Monatslöhnen von etwas über 4000 Franken.

Die Sache mit den höheren Renten

Ein weiteres Versprechen der Befürworterinnen und Befürworter der BVG-Revision sind die steigenden Renten für sehr tiefe und tiefe Einkommen. Auch dafür liefert das Bundesamt Zahlen – und auch diese pinseln eine triste Realität bunt an. Mit realistischen Angaben gerechnet, sieht die Rechnung so aus: Auf einen Monatslohn von 3500 Franken würden bei einem Ja zum BVG-Bschiss – je nach Alter – pro Jahr zwischen 1500 und 2500 Franken höhere Lohnabzüge fällig. Fürs Alter werden dafür knapp 2000 Franken mehr Jahresrente versprochen. Das heisst zum Beispiel: Wer heute 35 Jahre alt ist und mehr als 3300 Franken im Monat verdient, wird mit dieser BVG-Reform mehr einbezahlen, als er oder sie später als Rente bekommt. Noch härter trifft es Menschen mit ganz tiefen Löhnen (siehe Box mit einem Rechenbeispiel weiter unten).

Harsche Worte

SGB-Chefökonom Daniel Lampart ist ein freundlicher Mann, der seine Worte mit Bedacht wählt. Doch die Ergebnisse der Nachrechnung der Bundeszahlen zur BVG-Reform lassen ihn deutlich werden:

Der tiefere Umwandlungssatz, die tieferen Beitragssätze und der schneller steigende Koordinationsabzug führen dazu, dass sehr viele Arbeitnehmende nach der Reform eine tiefere BVG-Rente haben werden. Im Unterschied zu dem, was der Bund in seinen realitätsfernen Berechnungen mit den lebenslang gleichbleibenden Löhnen ausweist. Die von den Befürworterinnen und Befürwortern und dem Bund kolportierten Rentenverbesserungen sind in vielen Fällen eine Fata Morgana. Sie existieren nur in den irreführenden Tabellen des Bundes. In Wirklichkeit wird die Reform bei einem grossen Teil der Beschäftigten zu tieferen BVG-Renten führen.

Zum Beispiel Anita (45): 44’000 Franken für nichts!

Die Bernerin Anita ist 45 Jahre alt und verdient als Angestellte im Detailhandel 25’000 Franken pro Jahr. Sie würde mit der BVG-Vorlage zwar monatlich aus der AHV und der Pensionskasse insgesamt 1639 Franken statt wie bisher 1427 Franken Rente bekommen. Doch das reicht nicht zum Leben. Ihre Rente wäre so tief, dass sie weiterhin Ergänzungsleistungen beziehen müsste. Diese werden ihr jedoch in dem Umfang gekürzt, wie sich ihre Rente aus der Pensionskasse erhöhen würde. Netto hat sie mit der Reform also im Alter etwa gleich viel Geld im Portemonnaie wie ohne die Reform. Aber: Während ihres Erwerbslebens müsste sie deutlich höhere Beiträge einzahlen, wenn die BVG-Vorlage angenommen wird – bis zur Pensionierung 44’880 Franken mehr. Im wirklichen Leben hätte sie davon nichts.

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