Trotz Teuerung und historischem Boom
Baumeister bocken schon wieder bei den Löhnen!

Die Lohnverhandlungen im Bauhauptgewerbe starten mit einem Affront: Die Meister verweigerten in der ersten Runde partout ein Angebot für eine generelle Lohnerhöhung. Und das, obwohl ihre Umsätze überborden, während die Reallöhne der Büezer seit 2016 sinken.

HARTE ARBEIT, WENIGER LOHN: Während die Baumeister Rekordumsätze verzeichnen, müssen die Büezerinnen und Büezer Reallohnsenkungen hinnehmen. (Foto: Keystone)

Dass der Schweizer Bau boomt, ist längst nichts Neues mehr. Doch die jüngsten Zahlen sind geradezu monströs. So kommt das Fachmagazin «Baublatt» aus dem Staunen kaum mehr raus. Unter dem Titel «Ein Halbjahr für die Geschichtsbücher» schreibt es, das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe sei «bereits ausserordentlich gut» ins Jahr gestartet. Doch die Zahlen für den Juni würden nun «alles Bisherige» übertreffen. Konkret sei die auf Basis von Gesuchen ermittelte Hochbausumme im Vergleich zum Vorjahresmonat um «unglaubliche» 93,8 Prozent angestiegen, habe sich also fast verdoppelt. Der Juni 2024 habe somit «sämtliche Rekorde pulverisiert». Und das gleiche gelte für das gesamte Halbjahr 2024. Klotzen wie noch nie also, nicht kleckern.

250 Franken mehr für alle!

Vor diesem Hintergrund starteten am 3. September die jährlichen Lohnverhandlungen zwischen den Gewerkschaften Unia und Syna sowie dem Schweizerischen Baumeisterverband (SBV). Liest man jedoch die SBV-Pressemitteilung dazu, könnte man meinen, die Firmen stünden kurz vor dem Bankrott: Sein «Handlungsspielraum für kollektive Massnahmen», behauptet der SBV, erscheine «aktuell noch eingeschränkter als in den Vorjahren». Heisst konkret:

Nachdem die Baumeister schon 2023 die Verhandlungen platzen lassen und eine Nullrunde durchgedrückt haben, stellen sie auch dieses Jahr generelle Lohnerhöhung in Frage.

Von der Gewerkschaftsforderung nach 250 Franken mehr für alle will der SBV jedenfalls nichts wissen. Dabei entspräche dies lediglich einem Ausgleich der letztjährigen sowie der für dieses Jahr prognostizierten Teuerung plus einer minimen Reallohnerhöhung. Zudem sollen jene Firmen, die schon auf 2024 von sich aus Lohnerhöhungen gewährt haben, diese Beträge von der neuen Lohnerhöhung abziehen können. Chris Kelley, Co-Leiter Bau bei der Unia, erklärt:

Wir wollen ja korrekte Firmen nicht bestrafen, die sich der Baumeister-Nullrunde vom letzten Jahr widersetzt haben.

Doch der SBV liess sich auf nichts davon ein. Nicht einmal ein eigenes Angebot machte er. Sondern stellt lediglich «individuelle, leistungsbasierte» Erhöhungen in Aussicht. Und behauptet obendrauf, die Baufirmen hätten die Kaufkraft der Büezerinnen und Büezer schon zwischen 2019 und 2023 «vollständig gesichert».

Bundesstatistik zeigt Lohnverluste

Das sei «schlichtweg faktenwidrig», sagt dazu Chris Kelley. Und belegt dies mit Zahlen des Bundesamts für Statistik. Dessen Lohnstrukturerhebungen zeigen: Teuerungsbereinigt sinken die Löhne im Bauhauptgewerbe seit 2016! Konkret sind etwa im Tiefbau sämtliche Lohnkategorien real geschrumpft. Bei normalen Arbeitern um 100 Franken, im oberen Kader sogar um mehr als 700 Franken. Im Hochbau sind die Reallöhne gemäss Bundeszahlen immerhin für unterste und untere Kader leicht gestiegen. Für Arbeiter ohne Kaderfunktion und für mittlere und obere Kader dagegen sind die Löhne gesunken.

Dies deckt sich mit einer repräsentativen Lohnstudie, die die Unia Anfang Jahr abgeschlossen hat. Die ausgewerteten Daten betreffen rund 34’000 Bauleute aus rund 700 Firmen. Das Ergebnis: 48 Prozent der Bauarbeiter haben auf 2024 überhaupt keine Lohnerhöhung erhalten.

DIE ZAHLEN BELEGEN ES: Fast die Hälfte aller befragten 34’000 Bauleute hat keine Lohnerhöhung erhalten. (Grafik: jun)

Inflationsbedingt sind ihre Reallöhne daher um 2 Prozent gesunken. Und selbst jene, die eine Lohnerhöhung erhalten haben, konnten damit den Teuerungsverlust meist nicht wettmachen.

Schummelt der SBV mit Zahlen?

Die Umfrageresultate der Unia decken sich also mit den Statistiken des Bundes. Schummelt der SBV also mit Zahlen, um die Lohnsituation zu beschönigen? So weit will Kelley nicht gehen. Allerdings verzerre der SBV die Realitäten tatsächlich. Der Unia-Mann sagt:

Seine Zahlen stammen aus einer Lohnumfrage unter SBV-Mitgliedsfirmen. Damit werden die vielen Subunternehmerfirmen, die in der Regel tiefere Löhne bezahlen, gar nicht berücksichtigt, geschweige denn die Temporärbeschäftigten.

Zudem sei die SBV-Umfrage freiwillig gewesen. Geantwortet hätten demnach wohl eher solche Firmen, die eine Lohnerhöhung gewährt hätten.

Und noch ein Indiz gibt es für die politische Verfärbung der SBV-Statistik: Als die Unia ihre Lohnstudie am 12. April der Öffentlichkeit präsentierte, konterte der SBV gleichentags in den Medien, man werde dem bald eine eigene Untersuchung gegenüberstellen. Und diese werde zeigen, dass es Lohnerhöhungen gegeben habe. Blöd nur: Einsendeschluss der SBV-Umfragebögen war der 21. April! Das Resultat war dem SBV also schon klar, bevor er die Umfrage ausgewertet haben konnte. So oder so: in Stein gemeisselt ist noch nichts. Die zweite Lohnrunde steigt am 10. Oktober.

Grosse Lohn-Demo in Bern

Am 21. September findet in Bern die grosse Lohn-Demo statt. Unia-Mitglieder können gratis nach Bern reisen. Dafür haben die Unia-­Regionen Extrazüge aus der Westschweiz, dem Tessin oder der Ostschweiz organisiert. Wer noch kein Ticket hat, kann sich unter diesem Link anmelden.

Das Programm:

13.30 Uhr: Besammlung auf der Schützenmatte (Nähe Bahnhof)

14.00 Uhr: Demo-Beginn

15.00 Uhr: Schlusskundgebung auf dem Bundesplatz: Reden und Konzert 

16.00 Uhr: Ende der Kundgebung

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