Gewerkschaftsfeind Elon Musk und seine dunkle Vision
Er will mehr als nur die Weltherrschaft

Ist der reichste Mann der Welt ein Irrer unter Drogen? In Wahrheit ist die dunkle Vision des Tesla-Gründers Musk konsequent: masslose Abzockerei, Männlichkeitswahn, Maschinen-Menschen, Faschismus. Und dann die Flucht auf den Mars.

DER SCHWARZE TECH-MILLIARDÄR: Elon Musk führt seine Unternehmen absolutistisch, Mitarbeitende haben in seinem Verständnis keine Rechte. Das Bild zeigt ihn auf dem Buchcover seiner Biographie. (Foto: Keystone)

Dieser Tage bekam Elon Musk (53) Liebespost vom tschetschenischen Diktator Ramsan ­Kadyrow: Der hatte einen Tesla-Truck mit einem schweren Maschinengewehr ausgerüstet für den Krieg in der Ukraine. Zu viel mehr als zum mondänen Glitzer-Panzer taugt das Gefährt ohnehin nicht. Ein richtiger Truck ist es kaum, und für den Verkehr in Europa ist es zu lang und zu breit. Wie Kadyrow das Problem der Ladestation auf dem Schlachtfeld lösen will, weiss er selbst nicht. Im Vergleich zu Musk ist der blutrünstige Warlord Putins ein Mann von eher mildem Gemüt.

Das bewies Musk jüngst mit dem «grössten Interview der Geschichte». Das ging so: Donald Trump und Musk, die zwei gefährlichsten Männer der Welt, streichelten gegenseitig ihre überdimensionierten Egos mehr als zwei Stunden lang auf X (früher Twitter). Das «sehr stabile Genie» Trump brabbelte über afrikanische «Wilde», Mauern und den Sinn von Rädern, Musk bediente alle Obsessionen vom armen weissen Mann. Kann er gut, bei einem Vermögen von rund 250 Milliarden Dollar. Und zusammen wiederholten sie einige der 30 000 Lügen Trumps. Gruselig.

Genau dafür hat Musk Twitter im Oktober 2022 für 44 Milliarden Dollar gekauft. Erschwinglich, bei einem Lohnpaket von 56 Mil­liarden, das er sich selbst zugeschanzt hat. So kaufte Musk gratis viel Einfluss. Der soll ihm dazu dienen, die US-Wahlen für Trump zu entscheiden.

Musk will hörige Regierungen. In wenigen Monaten hat er X zum neofaschistischen Inkubator gemacht.

MANIPULIERTE ALGORITHMEN

Sofort hatte er alle Moderatorinnen und Moderatoren gefeuert, deren Aufgabe darin bestand, Hass, absurde Fakes und rassistische Attacken abzublocken. Trump gratulierte zum Kahlschlag.

Dann gab Musk die gesperrten Konten der schlimmsten Hetzerinnen und Hetzer wieder frei. Etwa von Tommy Robinson, der diesen Sommer die rassistischen Unruhen in Grossbritannien organisierte (work berichte). Oder das Konto des mutmasslichen Menschenhändlers Andrew Tate. Und natürlich jenes von Trump. Den hatten die Moderatoren nach dem Sturm des Trump-Mobs auf das US-Parlament verbannt.

Schliesslich zwang Musk seine Ingenieure, die Algorithmen umzuschreiben. Jetzt werden die Timelines der X-Konten mit ultrarechten Tweets geflutet. Geradezu inflationär vervielfältigen die neuen Algorithmen die Verschwörungstheorien des Bosses. Algorithmen sind ­geheim. Aber Statistiker glauben, dass sie die Plappereien Musks bis 1000 Mal stärker gewichten als die Botschaften anderer User.

DESPOTISCHER BÉBÉ-MANN

Diese Maschine des Hasses ist eine mächtige Waffe für seine Kämpfe gegen Gewerkschafter, Journalistinnen und Regierungen. Musk akzeptiert nur eine Vision für die Welt – seine. Insider nennen sein Management «absolutistisch».

Erstes Gebot: Arbeitende haben keine Rechte. Er verlangt ihnen bis zu 80 Wochenstunden ab. Die Konzerne seines Konglomerats (Tesla, X, SpaceX, Starlink, Neuralink und acht weitere), sagt er, müssen «gewerkschaftsfreie Zonen bleiben». Werkspolizei und Entlassungen sorgen dafür. Während der Covid-Pandemie verwandelte er die Megafactory in Shanghai in ein Arbeitslager.
Seit einigen Monaten fordern Tesla-Serviceleute in Schweden per Streik ein wenig Sozialpartnerschaft ein, also ging Musk die nordeuropäischen Regierungen hart an.

Sie sollten die Gewerkschaften gefälligst zur Raison bringen. Worauf ihn die dänische Abgeordnete Lisbeth Bech-Nielsen einen «despotischen Bébé-Mann unter Ketamin» nannte.

In der europäischen Tesla-Megafactory bei Berlin stand die gewerkschaftliche Organisation durch die IG-Metall kurz vor dem Durchbruch. Doch nun verzögert Musk den Ausbau – für den schon eine halbe Million Bäume gefällt wurden. Bald soll ihm seine Firma Neuralink das Problem mit den Arbeitenden ganz abnehmen. Sie arbeitet an implantierten Schnittstellen Mensch – Maschine – der Mensch als blosse Verlängerung der Roboter.

WELTRAUMSCHROTT AM SCHWEIZER HIMMEL

Zweites Gebot: Auf dem Weg zum Herrscher des Universums sollst du den globalen Datenverkehr kontrollieren. Schwierig, denn über 90 Prozent der Daten laufen durch Unterseekabel. Also pflastert Musk mit seinem Starlink-Konzern die Erdumlaufbahn mit Datensatelliten zu. 42 000 sollen es am Ende sein. Bereits hängt die Kriegführung der Ukraine allein am Starlink-System. Kappt er die Verbindung, ist es um das Land geschehen. Dem Schweizer Nachthimmel bescherte Starlink kürzlich einen spektakulären Feuerschweif: Musks Weltraumschrott verglühte in der Atmosphäre.

Drittes Gebot: Staaten, Gesetze, Parlamente sind schlecht. Das gibt er immer wieder lauthals zu hören. Als ihn der neue britische Regierungschef Keir Starmer aufforderte, die Unruhen nicht weiter mit X anzuheizen, beschied ihm der Kapitalist delikat: «Fick dich selbst!»

So redet Musk, der von Mitarbeitenden als «manchmal charismatisch», meist aber aufbrausend, brutal, narzisstisch und labil beschrieben wird.

Eines seiner mindestens zwölf Kinder von diversen Müttern erklärte er kurzerhand für tot, weil es eine Frau sein wollte.

Musk ist der Sohn eines südafrikanischen Minenbesitzers und Immobilienhändlers unter dem Apartheid-Regime. Nach dem Studium in Kanada und in den USA machte er sein erstes grosses Geld mit der E-Bank PayPal, zusammen mit Peter Thiel. Der deutsch-amerikanische Rechtsextremist ist einer der radikalsten Trump-Financiers. Mit Thiels Big-Data-Konzern Palantir geschäften auch Schweizer Regierungen.

Wie die meisten Ultrakapitalisten hindert der Hass auf den Staat Musk nie daran, noch mehr Milliarden von der öffentlichen Hand zu fordern. Grosse Teile seines Konzernimperiums sind auf das Geld des Pentagons, der Nasa und Präsident Bidens 600-Milliarden-Paket für die ökologische Transformation gebaut.

Schon erstaunlicher (oder erhellender) ist, was viele Regierungschefs dem schwarzen Prinzen des Techno-Feudalismus durchgehen lassen. Zwar legte Brasilien jetzt X still, weil sich Musk dem brasilianischen Recht entziehen wollte. Doch Benjamin Netanjahu, Giorgia Meloni, Narendra Modi und Javier Milei hofieren ihm. Emmanuel Macron hat ihn seit 2023 mindestens viermal in den Elysée-Palast geladen.

PLAN B: DER MARS

Vielleicht können sie nicht anders. Derzeit warten eine Astronautin und ein Astronaut in der internationalen Raumstation auf ihre Rückkehr zur Erde. Sie sollten acht Tage bleiben – daraus werden nun acht Monate. Denn die teilprivatisierte Nasa ist unfähig, sie runterzuholen. Also darf nun Musks SpaceX ran.

Für den Raumfahrt-Zweig des Imperiums eine willkommene Übung. Musk weiss, dass er und seine Freunde die Welt ökologisch und sozial an die Wand fahren. Dann wollen sich Musk, Jeff Bezos & Co. auf den Mars absetzen. Dafür wurde SpaceX gegründet.

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