Gossau SG: Trotz Schwarzarbeit-Verdacht keine Inspektion
Kapitulation der Kontrolleure

Auf der ­Prestigebaustelle der Stadt Gossau SG machen Eisenleger ­einer vorbelasteten ­Firma ­verdächtige Aussagen. Die Unia alarmiert sofort den Kanton – doch der lässt sich Zeit.

EISENLEGER IM FOKUS: Die Unia hat alarmierende Signale von der Grossbaustelle in Gossau, doch der Kanton handelt nicht. (Symbolbild: Getty Images)

Ein neues Hallenbad, Fussballplätze und modernste Sportanlagen – das stampft die Stadt Gossau SG derzeit auf fast 97 000 Quadratmetern aus dem Boden. Kostenprognose: gut 65 Millionen Franken, 9 Millionen mehr, als von der Bevölkerung bewilligt. Der Kostendruck ist also hoch – möglicherweise zu hoch, wie ein aktueller Verdacht befürchten lässt. Auf der Grossbaustelle bestätigen nämlich mehrere Arbeiter eine Visite von GAV-Kontrolleuren Ende August. Im Fokus seien die Eisenleger gestanden. Ein Maurer, der die Szene beobachtet hat, sagt: «Bei ihnen schien etwas nicht zu stimmen. Es hiess, sie würden ihre Arbeitszeiten nicht erfassen, zu wenig Reisespesen erhalten und teils seit mehreren Wochen auf Probe arbeiten.»

Wochenlanges Arbeiten «auf Probe»? Für die St. Galler Unia-Sekretärin Danijela Dragicevic ein klares Warnsignal. Sie sagt: «Alles, was über einen Probetag hinausgeht, ist absolut unüblich. Die Betroffenen riskieren, am Ende ohne einen Franken dazustehen.» Dragicevic wollte es genau wissen. Doch in der Eisenleger-Baracke staunte sie nicht schlecht.

Als sie die Baracke betrat, hätten zwei von vier Arbeitern sofort auf sie eingeredet. Und zwar, noch bevor sie diesen eine Frage gestellt habe. «Sie sagten immer wieder, wie super ihre Firma sei und dass alles sauber ablaufe.» Dragicevic war alles andere als beruhigt. Denn sie weiss: «Wer so ­reagiert, hat meistens etwas zu verbergen.» Und noch etwas schien ihr seltsam: «Geredet haben nur zwei Eisen­leger, die anderen beiden sassen nur da und verstanden kein Wort.» Für Dragicevic war jedenfalls klar, dass hier eine Schwarzarbeitskontrolle nötig ist.

KANTON SPART BEI KONTROLLEUREN

Gewerkschaften dürfen und können solche Kontrollen nicht selber machen. Also meldete die Unia die Sache beim zuständigen Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons St. Gallen. Seither sind mehrere Wochen vergangen. Doch geschehen ist: wenig bis nichts. Das AWA schreibt auf Anfrage, es habe auf der Baustelle schon vor der Unia-Meldung einen «Augenschein» vorgenommen und dabei «keine Unregelmässigkeiten» festgestellt. Und: Aufgrund der Dimensionen der Baustelle sei man zum Schluss gekommen, «dass eine erneute Kon­trolle durch einen einzelnen AWA-Mitarbeiter ohne Beizug von Partnern nicht zielführend und somit kontraproduktiv wäre». Allerdings habe man die Kantonspolizei informiert. Wann diese eine Kontrolle durchführe, könne aus taktischen Gründen nicht mitgeteilt werden.

«Unfassbar», findet Florian Kobler, Unia-Mann und Gossauer Stadtparlamentarier. Gemeldeten Verdachtsfällen müsse immer sofort nachgegangen werden. Denn: «Je mehr Zeit verstreicht, desto einfacher können Beweise vernichtet und Mitarbeitende verschoben werden.» Und schliesslich würden mit Schwarzarbeit nicht nur die betroffenen Arbeiter betrogen, sondern immer auch die öffentliche Hand. In der Verantwortung sieht Kobler die Regierung: «Der Kanton St. Gallen leistet sich gerade mal zwei Schwarzarbeitsinspekteure, das ist der zweittiefste Wert der Schweiz und reicht ganz offensichtlich nicht.»

FIRMA MIT SÜNDENREGISTER

Allerdings bestreitet der Inhaber der fraglichen Eisenlegerfirma auf Anfrage alle Vorwürfe. Er könne alles sauber belegen. Und auf der Firmenwebsite heisst es: «Für uns ist die Einhaltung des Landesmantelvertrags und der gesetzlichen Vorschriften eine Selbstverständlichkeit.»
Fakt ist aber: 2021 wurde die Firma mit Sitz im Kanton Schwyz nachweislich der GAV-Verletzung überführt. Der Chef bestätigt «kleinere Fehler», die er aber anstandslos nachbezahlt habe. Allerdings fiel er schon 2022 erneut mit Lohnverstössen auf. Auf der skandalumwitterten Grossbaustelle «Bella Vista» in Neuenburg mussten seine bulgarischen Arbeiter regelmässig fast 50 Stunden pro Woche chrampfen, teils zu Bruttolöhnen von 4000 Franken. So zumindest berichteten es diese gegenüber den In­spektoren des Neuenburger Baukon­trollvereins ANCCT. Diese fanden auch heraus, dass Beiträge an die Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt (FAR) fehlten. Die Eisenlegerfirma fungierte damals als eines von fünfzehn Subunternehmen aus zehn verschiedenen Kantonen. Lokale Unternehmen liessen tunlichst die Finger von der Dumping-Baustelle. Der Auftraggeber, eine Baufirma aus dem Appenzellerland, ist inzwischen konkurs.

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