Gewerkschaften kämpfen gegen Kaufkraftverlust
Löhne 5 Prozent rauf: Gute Arbeit muss sich wieder lohnen!

Immer produktiver, doch real weniger Geld im Sack – das ist in den letzten Jahren die bittere Realität für die meisten Lohnabhängigen in der Schweiz. Die Gewerkschaften fordern jetzt bis zu 5 Prozent mehr Lohn. Und sie haben gute Gründe.

GEWERKSCHAFTEN PRÄSENTIEREN IHRE FORDERUNGEN: (v.r.n.l.) Unia-Präsidentin Vania Alleva, SGP-Präsident Pierre-Yves Maillard, SGB-Chefökonom Daniel Lampart und VPOD-Generalsekretärin Natascha Wey an der Medienkonferenz von heute Montag in Bern. (Foto: Keystone)

Die Fakten sind so bekannt wie dramatisch: Während die Preise steigen, verlieren die Löhne an Wert. Die Reallöhne sind drei Jahre in Folge zurückgegangen – das gab es seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie. Die nicht ausgeglichene Teuerung der letzten Jahre führt dazu, dass die Lohnabhängigen real bis zu 5 Prozent weniger Geld zum Leben haben. Trotzdem sind sie Jahr für Jahr um mindestens 1 Prozent produktiver. Dieses Jahr kommen bis zu 1,4 Prozent Teuerung hinzu.  

Wie ist es so weit gekommen, dass die realen Löhne heute niedriger sind als 2019?

1. Ideologische Arbeitgeber verweigern Teuerungsausgleich

Trotz guter Wirtschaftsentwicklung blieben die Löhne hinter der Teuerung zurück. Bei den Arbeitgeber-Verbänden haben ideologische Funktionäre das Ruder übernommen. Das führt zu für die Schweiz ungewöhnlich harten Positionen. Früher war es Konsens, dass die Firmen, wenn sie die Preise erhöhen konnten, auch die Löhne um die Teuerung ausglichen. Die Gewerkschaften konnten in den letzten beiden Lohnrunden zwar teilweise höhere Löhne durchsetzen. Doch leider längst nicht überall. Darum haben Hunderttausende heute weniger Kaufkraft als vor fünf Jahren. 

2. Firmen sacken Produktivitätsgewinne alleine ein

Allein um die Verteilung zwischen Arbeit und Kapital stabil zu halten, müssen die Löhne entsprechend der Arbeitsproduktivität plus Teuerung steigen. Die Produktivität nahm in den letzten Jahren jährlich um über 1,5 Prozent zu. Selbst bei einer konservativ gerechneten Produktivitätssteigerung von 1 Prozent zeigt sich ein Lohnrückstand von über 5 Prozent. Die Produktivitätsgewinne kommen also nicht bei den Arbeitnehmenden an, sondern verbleiben in den Unternehmen.

3. Firmen haben Margen erhöht 

Die Konjunktur läuft allgemein gut. Besonders der Finanzsektor, aber auch weite Teile der Binnenwirtschaft wie Bau, Detailhandel und Lebensmittelhersteller melden positive Geschäftszahlen. Auffällig sind die überdurchschnittlich hohen Margen der Firmen. Dies ist eine direkte Folge der ungenügenden Lohnabschlüsse. Das heisst: In vielen Branchen und Unternehmen fliesst ein grösserer Teil der Profite in die Firmenkassen oder an die Aktionäre, anstatt bei jenen, die sie erarbeitet haben.

5 Prozent mehr  

Nicht ausgeglichene Teuerung und nicht weitergegebene Produktivitätsgewinne summieren sich. SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard sagt dazu:

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten jedes Jahr etwas intensiver. Die Produktivität steigt. Aber sie verdienen weniger. Hunderttausende von Haushalten, die nicht im Luxus, aber in einer gewissen materiellen Sicherheit gelebt hatten, blicken heute besorgt auf das Ende des Monats.

Die Verbände des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes verlangen deshalb Lohnerhöhungen von bis zu 5 Prozent.

Was die Unia verlangt

Unia-Präsidentin Vania Alleva sagte an der Medienkonferenz des SGB:

Die Lohnentwicklung in der Schweiz ist alarmierend. Ob Verkäuferinnen im Detailhandel, Industriearbeiterinnen, Büezer auf den Baustellen oder Mitarbeitende in der Hotel- und Gastrobranche oder in der Alterspflege: All diese Menschen kämpfen jeweils am Monatsende mit hohen Rechnungen und ungenügenden Löhnen, die immer weniger zum Leben reichen. Es braucht unbedingt substanzielle Lohnerhöhungen, um die Lohnlücke zu schliessen.

Die zentralen Unia-Forderungen in Kürze:

  • Im Bauhauptgewerbe eine generelle Lohnerhöhung und die Erhöhung der Mindestlöhne um 250 Franken. Gemessen am Bau-Durchschnittslohn entspricht das einem Ausgleich der diesjährigen sowie der letztjährigen Teuerung und einer minimalen Reallohnerhöhung. Dies, nachdem der Baumeisterverband letztes Jahr die Lohnverhandlungen ohne Angebot abgebrochen hatte. Jene Firmen, die entgegen dem Entscheid des Baumeisterverbands eine freiwillige Lohnerhöhung gewährt haben, können diese an die 250 Franken anrechnen.
  • In der Industrie den vollen Teuerungsausgleich, rund 2,6 Prozent Nachholbedarf und 1 Prozent für die höhere Produktivität: das macht total 5 Prozent. Alle mit einem Lehrabschluss müssen wenigstens 5000 Franken pro Monat verdienen. Die Auftragslage in der Industrie ist in weiten Teilen gut und der Sektor hat sich von den Schwierigkeiten der Pandemie erholt.
  • Im Detailhandel bei Coop den vollen Teuerungsausgleich für alle, eine generelle Reallohnerhöhung von 200 Franken und eine Erhöhung der Mindestlöhne um 200 Franken.
  • Im Gastgewerbe einen Teuerungsausgleich von 1,4 Prozent und eine generelle Lohnerhöhung von 100 Franken.
  • Im Ausbaugewerbe den vollen Teuerungsausgleich und eine Beteiligung an der Steigerung der Arbeitsproduktivität. Dies gilt insbesondere für die Erneuerung der Gesamtarbeitsverträge Maler-Gipser und Elektro, wo derzeit etwa 300 Lehrstellen unbesetzt sind.

Grosse Lohn-Demo in Bern

Am 21. September findet in Bern die grosse Lohn-Demo statt. Unia-Mitglieder können gratis nach Bern reisen. Dafür haben die Unia-­Regionen Extrazüge aus der Westschweiz, dem Tessin oder der Ostschweiz organisiert. Wer noch kein Ticket hat, kann sich unter diesem Link anmelden.

Das Programm:

13.30 Uhr: Besammlung auf der Schützenmatte (Nähe Bahnhof)

14.00 Uhr: Demo-Beginn

15.00 Uhr: Schlusskundgebung auf dem Bundesplatz: Reden und Konzert 

16.00 Uhr: Ende der Kundgebung

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