Künzi wählt
Deshalb sagt Künzi Nein zur BVG-Reform!

Foto: Yves Thomi / Montage: work

Ich bin mitten in der Nacht aufgewacht von so ­komischen Geräuschen an meinem Fenster. «Hallo, ist da öpper?» «Hier ist Herr Schärmeli von Ihrer Pensionskasse.» Man ist ja nur noch Warteschleifen ­gewohnt von allen möglichen Dienstleistern, dass man grad doppelt erschrickt über so einen menschlichen Direktkontakt und erst noch um diese Uhrzeit. Aber klar, ich bin ja nicht aus Stein und habe den ­Schärmeli reingelassen. Der war vielleicht durch den Wind. Er wolle mit mir meine Altersvorsorge analysieren und schauen, ob ich die BVG-Reform-Vorlage gut verstanden hätte. Also nicht, dass er an meiner «stimmbürgerlichen Mündigkeit» zweifle, aber es sei doch recht technisch.

SEHR, SEHR TIEF

Ich überlegte, wie ich unauffällig die Ambulanz rufen könnte, weil mir schien, dem Schärmeli hat’s chli ins Hirni gschneit. Aber dann fing er an zu weinen. Es sei ihm alles zu viel. Sie hätten den Auftrag, alle Versicherten für ein JA zu motivieren für die BVG-Reform am 22. 9., aber er komme ja selber nicht recht draus. Es sei so kompliziert. Ich nickte, weil es ist echt kompliziert. Wenn er nicht 50 Ja-Stimmende gewinnen könne, werde er entlassen, und das mit 62. Das wünscht man natürlich keinem, handkehrum: «Sie bekommen ja sowieso viel mehr Rente als ich!» Nein das glaube er nicht. «Doch, das glaube ich schon.» Ich habe meinen Pensionskassenausweis geholt, und wir haben gerechnet, und dann hat er ganz erstaunt gesagt, dass mein BVG sehr tief sei, also sehr, sehr tief. Ich nickte: «Sag ich ja! Und bis ich pensioniert bin, ist der Umwandlungssatz vermutlich auf 2 Prozent. Und die Teuerung wird auch nie ausgeglichen.»

NEE ECHT!

Herr Schärmeli war plötzlich wieder munter. Die Tatsache, dass seine Bankfachmann-Rente deutlich über meiner Teilzeit-Frau-Niedriglohn-Rente lag, schien ihn richtig aufzubauen. Er fragte, ob ich nicht doch eine Säule 3 a abschliessen wolle? Sonst würde es bei mir sicher schlimm im Alter. Sie hätten da noch ein paar schöne Angebötli! Da ­wurde ich sauer: Es war 4.30 Uhr, ich hatte kein Geld für eine Säule 3 a, ich hatte auch kein Geld, um jeden Monat noch mehr BVG-Beiträge zu zahlen, an eine Pensionkasse, wo alle super verdienen im Gegensatz zu mir. Also vor allem die Teppichetage. Und da war mir klar, dass ich NEIN stimmen werde am 22. 9., nee echt. Herr Schärmeli ging. Ich putzte mir noch mal die Zähne und überlegte, wie das wohl geht in Amerika mit der Altersvorsorge? Und ob ­Harris immer noch führt? Dann im Bett begann ich die Tage zu zählen bis zur US-Wahl und … chhh …

Sandra Künzi lebt und büglet in Bern. Sie mag Jassen, Schafe, Feuer und Bier. Zurzeit ist sie freiwillige, nicht ganz unabhängige Beobachterin des Wahlkampfes in den USA. Direkt aus dem Schweizer Wohnzimmer.

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