Mitarbeiter-Notruf aus St. Galler Solar-Bude:
«Stoppt endlich unseren Chef!»

Lohnbschiss, getäuschte Kundschaft und Riesenschulden beim Staat: Mitarbeitende der Firma Viva Solar in Balgach SG erheben schwere ­Vorwürfe ­gegen ihren Chef. Aber auch die Behörden kommen schlecht weg.

ER LÄSST ES SICH GUT GEHEN: Viva-Solar-Chef David Z. haut Geld für Luxusprodukte raus, doch seine Firma hat einen riesigen Schuldenberg angehäuft. (Illu: Ninotchka.ch)

Es ist ein Ruf der Verzweiflung, der jüngst die Unia in St. Gallen erreicht hat. «Wir bitten Sie zutiefst darum, uns behilflich zu sein», heisst es in dem Schreiben. Und: «Sie sind unsere einzige Hoffnung!» Überall sonst sei man nämlich «abgewimmelt» worden. Beim Amt für Wirtschaft und Arbeit, beim Steueramt, beim Migrationsamt und sogar bei der Polizei. Unterzeichnet ist der Brief von vier Mitarbeitenden der Viva Solar AG, einer Firma für Photovoltaik-Installationen mit angeblichem Sitz in Sirnach TG. Doch dazu später.

Was die vier Insider anprangern, ist happig. ­Ihrem Chef werfen sie eine Reihe von Delikten vor: Nicht-Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge, Täuschung von Kundinnen und Kunden mit gefälschten Urkunden, Nicht-Führen einer Geschäftsbilanz, ungesetzliche Buchführung, fehlerhafte Steuerdeklaration und Beschäftigung von Grenzgängern ohne ­Bewilligung. Als Unia-Sekretär Lukas Auer dies las, schrillten bei ihm alle Alarmglocken. Denn mit Viva-Solar-Chef David Z.* (28) hatte er schon eigene Erfahrungen gemacht.

MANN DER ERSTEN STUNDE PACKT AUS

Ende Juli begleitete Auer einen Ex-Monteur der Viva Solar vor den Friedensrichter. Denn Z. hatte ihm wegen einer simplen Verkehrsbusse 3000 Franken vom Lohn abgezogen. Obwohl die Busse bloss 700 Franken betrug und der Monteur sie bereits selbst bezahlt hatte. Z. aber schasste ihn fristlos und behielt auch den Lohn für 140 Überstunden ein. Total fehlen dem Monteur jetzt rund 10 000 Franken. Die Schlichtungsverhandlung schwänzte Z.

Die Masche scheint System zu haben. Denn auch ein ehemaliger Viva-Projektorganisator hat sich bei der Unia gemeldet. Er sei zuerst gemobbt und dann aus der Firma gedrängt worden, sagt er. Seither ist der Mittfünfziger beim RAV gemeldet. Z. schulde ihm noch rund 30 000 Franken Lohn. Einer, der es wissen muss, ist Sebastian Soller*. Er sagt, abserviert worden seien noch sicher vier weitere Mitarbeitende. Soller hat die Viva Solar im Sommer 2023 mitaufgebaut und war bis vor kurzem Z.s wichtigster Mann für Büroarbeiten. Wohl sei ihm dabei nie gewesen, und nun sei der Bruch gekommen. Soller bestätigt, was die vier Mitarbeitenden im Schreiben an die Behörden und die Unia behaupten. Er sagt:

Sozialversicherungsbeiträge und Steuern habe ich für die Firma immer sauber deklariert, doch Z. hat nicht bezahlt.

BETREIBUNGSREGISTERAUSZUG GEFÄLSCHT

Sicher ist: Das Betreibungsregister der Viva Solar ist lang. Ein Auszug von Anfang September zeigt: Auf fast eine Million Franken wird die Firma aktuell betrieben – nach erst einjähriger Geschäftstätigkeit. Die grössten Beiträge fordern die Eidgenössische Steuerverwaltung, das Sozialversicherungszentrum Thurgau, die Suva und das St. Galler Steueramt. work liegt aber noch ein anderer «Betreibungsregisterauszug» vor. Darin steht: «keine Betreibungen». Ein Viva-­Insider erklärt:

Das ist ein gefälschter Auszug für Kunden!

Irgendwann habe aber ein misstrauischer Kunde beim Amt nachgefragt, dann sei der Schwindel aufgeflogen. Diesen Vorgang bestätigt Soller. Es sei sogar noch schlimmer. Und das habe mit einer Enthüllung des «Kassensturz» zu tun.

DREI MONATE IN U-HAFT

Die SRF-Sendung beleuchtete 2022 die Rheintaler Photovoltaik-Firma Mons Solar und machte publik, dass etliche ihrer Kundinnen und Kunden sich über den Tisch gezogen fühlten. Es ging um aufdringliche Verkäufer, unehrliche Offerten und sehr viel Geld. Der Bericht stürzte Mons Solar in eine Krise, die anzudauern scheint. Im Juli strich die Firma 55 von 185 Stellen.

Auch David Z. wurde einst von Mons Solar ent­lassen. Allerdings unter ganz anderen Vorzeichen: Ihn holte die Polizei direkt auf dem Firmengelände ab und steckte ihn für drei Monate in Untersuchungshaft. Seine damalige Arbeitgeberin hatte ihn wegen Diebstahls angezeigt! Z. habe bei Mons Solar Material geklaut und damit seine Viva Solar aufgebaut, so der Verdacht. Ein Mons-Kadermann bestätigt auf Anfrage ein laufendes Verfahren. Es gilt die Unschuldsvermutung. Der Kader betont zudem, Mons habe sich nach dem «Kassensturz»-Knall «völlig neu aufgestellt».

Tatsächlich mussten etliche Verkäufer und Monteu­­re die Mons verlassen. Gut für David Z. Er baute seine Firma fast ausschliesslich mit ehemaligen Mons-­Leuten auf. Dies aber nicht etwa am angeblichen Firmensitz in Sirnach TG. Dort hat die Viva nämlich nicht einmal einen Briefkasten, geschweige denn ein Büro. Das Geschäft läuft seit jeher in Balgach SG – und zwar offenbar nicht schlecht. Insider Soller sagt, Viva habe schon in den ersten Monaten Aufträge im Wert von vier Millionen Franken ergattert. Mit Bil­­ligpreisen, heisst es von Konkurrenzfirmen. Fakt ist: Swissolar, der schweizerische Fachverband für Solarenergie, hat Z. im Juni eine «letzte Verwarnung» geschickt. Das Schreiben liegt work vor. Moniert werden darin unter anderem «aggressives Verkaufsverhalten», «technische Mängel» und fehlende Sicherheitsgerüs­­te bei Dacharbeiten. Aus dem Verband geflogen ist Viva Solar aber nicht. Auch sonst kann Z. offenbar munter weitermachen. Diesen Sommer hat er bereits drei neue GmbHs registriert. Und privat führt er ein Leben in Saus und Braus – mit Luxusuhren, einem grasgrünen Lamborghini Huracán und regelmässigen Wochenend-First-Class-Flügen durch halb Europa.

DIE SCHLINGE ZIEHT SICH ZU

Immerhin dürfte es bald vorbei sein mit der Gemütlichkeit. Denn die Unia-Arbeitslosenkasse hat gegen die Viva kürzlich Strafanzeige erstattet wegen Ver­letzung der Auskunftspflicht. Und am 8. Dezember muss sich Chef Z. vor dem Bezirksgericht Münchwilen behaupten. Der geprellte Ex-Monteur hat nämlich nicht lockergelassen, sondern mit Unia-Mann Auer das Gericht angerufen. Und schliesslich bestätigt auf Anfrage auch das Thurgauer Handelsregisteramt, man habe die Firma sehr wohl auf dem Schirm und auch Massnahmen ergriffen. Welche, will das Amt aber nicht sagen. work bleibt dran.

*Namen geändert bzw. bekannt

Rückzieher: Chef schwätzt – und schweigt dann doch

Am Telefon zeigte sich Viva-Solar-Chef David Z. äusserst gesprächig. Für jeden Vorwurf hatte er eine interessan­­te Erklärung bereit. Doch dann konsultierte er seinen Anwalt – und der sah offenbar dunkelrot: In letzter Sekunde zog Z. seine gesamte Stellungnahme zurück.

1 Kommentare

  1. Matthias 26. September 2024 um 20:30 Uhr

    Leider ist die Branche voll mit so schwarzen Schafen weil jeder Ex-Monteur ohne Wirtschaftlichen Hintergrund bzw. Ausbildung einen Betrieb eröffnen darf. Wenn ich nur das Rheintal her nehme, zähle ich höchstens 4 Betriebe die seriös sind und der Rest sind Schwäzer.

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