Bundesrat will Mindestfranchise erhöhen
Achtung, sie locken die Nichtreichen in die Falle!

Der Bundesrat will die Mindestfranchise um 200 Franken erhöhen. Das ist ein Angriff auf alle nichtreichen Kranken und ganz besonders auf Menschen mit chronischen Krankheiten.­

SCHRÖPFER DER ARMEN: Albert Rösti (SVP) und Karin Keller-Sutter (FDP). (Foto: Keystone)

Wer bei der Krankenkasse die höchste Franchise wählt, zahlt pro Jahr maximal 1540 Franken weniger Prämie. Die höchste Franchise liegt bei 2500 Franken. Das bedeutet: im Krankheitsfall müssen die Versicherten bis zu 3200 Franken aus dem eigenen Sack bezahlen. 2500 Franken Franchise und 700 Franken Selbstbehalt. Bei der Mindestfranchise sind es 1000 Franken (300 Franchise und 700 Franken Selbstbehalt). Wenn es nach dem Bundesrat geht, sollen es künftig 1200 Franken sein. Fast 20 Prozent der Menschen in der Schweiz sind – laut offiziellen Zahlen des Bundes – nicht in der Lage, eine unvorhergesehene Ausgabe von 2500 Franken zu stemmen.

Die Sparfalle

Die Krankenkassenprämien explodieren, und die Kantone knausern bei den Prämienverbilligungen. Auf den ersten Blick ist es da verführerisch, mit einer höheren Franchise Prämien zu «sparen». Das haben Hunderttausende in den vergangenen Jahren gemacht. Das ist nicht nur zu ihrem Vorteil. Denn:

In ­einer repräsentativen Umfrage gaben rund 20 Prozent an, im letzten Jahr aus finanziellen Gründen auf einen Besuch bei der Ärztin oder dem Arzt verzichtet zu haben.

SP-Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider warnt richtigerweise davor, dass Versicherte wegen ­einer höheren Franchise Behandlungen aufschieben könnten und sich ihr Gesundheitszustand dadurch verschlechtert – und damit ­neben zusätzlichem Leiden auch zusätzliche Kosten verursacht werden. Die Zweiklassen­medizin hat in der Schweiz längst Einzug gehalten. Auch wenn die bürgerlichen Lobbyisten immer behaupten, die Menschen würden aus lauter Spass an der Freude zu den Ärztinnen und in die Spitäler rennen, weil das «zu günstig» sei.

Aus dem eigenen Sack

Bereits heute müssen Menschen in der Schweiz aus dem eigenen Sack mehr an die Gesundheitskosten bezahlen als in jedem anderen europäischen Land. Die Grundversicherung der Krankenkasse deckt vieles ab, und die Gesundheitsversorgung ist trotz allen Mängeln qualitativ sehr gut. Doch viele Leistungen des Gesundheitswesens werden von den Krankenkassen nicht übernommen.

Zum Beispiel die Sache mit den Zähnen. Während in fast allen europäischen Staaten die Krankenversicherung zumindest einen Teil der Behandlungskosten beim Zahnarzt übernimmt, müssen wir in der Schweiz mit wenigen Ausnahmen alles aus der eigenen Tasche bezahlen. Pro Jahr sind dies mittlerweile rund 4 Milliarden (oder 450 Franken pro Mund).

Kranke bestrafen

Trotzdem wollen die bürgerlichen Parteien den Anteil, den die Menschen aus dem eigenen Sack bezahlen müssen, weiter erhöhen. Auf Wunsch der SVP beschloss die absolute SVP-FDP-Mehrheit im Bundesrat, die Mindestfranchise auf 500 Franken erhöhen. Das heisst in einem Satz:

Karin Keller-Sutter und Albert Rösti wollen, abgenickt von Ignazio Cassis und Guy Parmelin, Schwerkranke, Chronischkranke und Haushalte mit mittleren und unteren Einkommen noch mehr schröpfen.

Künftig sollen alle mindestens 1200 Franken Krankheitskosten pro Jahr selber bezahlen. Noch kann das Parlament diesen neusten ­Angriff auf die Kaufkraft stoppen. Und sonst braucht’s halt wieder ein gewerkschaftliches Referendum, damit das Volk das letzte Wort hat.

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