Reclaim Democracy III: Politologin über die extreme Rechte
Das Kalkül hinter dem «Katzenfresser»

EXTREMISMUSFORSCHERIN: Natascha Strobl. (Foto: Vivane Stucki)

Einwanderer fressen Katzen und Hunde. Unis zwingen ihren Studis den Genderstern auf. Oder: Die grün-marxistische Muslimin Sanja Ameti will das Christentum ausrotten. So und ähnlich gehen die drei viralsten Märchen, die rechte Hetzer im Internet gerade rumreichen. Man könnte sie getrost als Nonsens wegwischen. Wenn da nicht die Folgen im realen Leben wären: In den USA kam es nach Donald Trumps Haustier-Lüge zu Bombendrohungen und Angriffen auf Migranten. Im Kampf gegen den «Genderwahn» attackieren Neonazis, Islamisten und andere Homo-Hasser eine Pride-Parade nach der anderen. Und nach ihrem unüberlegten Instagram-Post braucht die Zürcher GLP-Gemeinderätin Ameti Polizeischutz. Ebenso ihre Familie. Was passiert da gerade?

Mit dieser Frage eröffnete die Wiener Politologin Natascha Strobl ihr Referat über «Kulturkampfkunst» am «Re­claim Democracy»-Kongress. Und zog damit die rund 100 Gäste sofort in ihren Bann.

VERUNSICHERUNG

Denn es wird immer offensichtlicher: Die Verbreitung von Stuss nimmt überhand – und erfolgt alles andere als zufällig. Zwar sind rechte Akteure laut Strobl nicht wählerisch. Sie würden im Gegenteil alle erdenklichen Behauptungen erproben. Stories, die besonders viel Aufsehen erregten, würden weitergesponnen – und international von Gleichgesinnten kopiert. Klassiker seien Themen um Gender, Kinder und Ökologie. Diese Masche funktioniere heute besser als einst, da wir in einer Zeit der Verunsicherung und der multiplen Krisen lebten. Ausserdem hätten soziale Resonanz- und Sanktionsräume wie Vereine oder Stammtische zunehmend ausgedient. Und die einst bestimmenden politischen Kräfte – Konservatismus, Liberalismus und Sozialdemokratie – brächen vielerorts ein. In das Vakuum, das sie hinterlassen, dränge die extreme Rechte. Doch hierfür brauche sie zunächst eine Diskursverschiebung. Das Mittel dazu: Kulturkampf-Märchen à gogo.

MOB-MOBILISIERUNG

Fakten spielten dabei keine Rolle, zen­tral sei bloss eines: Emotiona­lisierung! Strobl: «Es soll nur ­gefühlt und eben gerade nicht inhaltlich diskutiert werden.» Primäre Schaubühne dafür seien heute die sozialen Netzwerke, dort sei der Ort des «gemeinschaftlichen Aufregens», des «Shitstorms», wobei Strobl diesen Begriff für verharmlosend hält. «Hexenjagd» beschreibe die Realität besser. Denn wenn der Mob einmal tobe, werde dies für seine Opfer schnell lebensbedrohlich. Dies sei durchaus beabsichtigt, zumal sich immer mehr Leute in einem Bürgerkrieg wähnten oder einen solchen her­aufbeschwörten. Letztlich gehe es im kulturkämpferischen Gehetz also weder um Haustiere noch um Migranten, sondern um nichts weniger als die Zerstörung der Demokratie.

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