1x1 der Wirtschaft
Der Schweizer Staat schwimmt im Geld

Wenn man Bundesrätin Keller-Sutter zuhört, erhält man den Eindruck, dass die Schweiz auf ein Schuldenproblem zulaufe. Sie fordert Sparprogramme und will der AHV und der ALV weniger Geld vom Bund überweisen. Wenn man die Statistiken anschaut, sieht man das Gegenteil. Bund, Kantone und Gemeinden haben seit 2006 in fast jedem Jahr Überschüsse erzielt. Sie haben ihre Kassen gefüllt. Auf Kosten der Bevölkerung. Sie haben heute mehr als 100 Milliarden Franken Vermögen. Oder anders gesagt: Jeder und jede von uns hat beim Staat noch ein Guthaben von rund 12 000 Franken.

SCHULDENBREMSE

Beim Bund ist die Schuldenbremse das Hauptproblem. Die Schweizer Bevölkerung wollte, dass der Bund nur so viel ausgeben darf, wie er einnimmt. Doch im Bundeshaus haben sie die Schuldenbremse so umgesetzt, dass der Bund Jahr für Jahr 1 bis 1,5 Milliarden Franken spart. Weil es Projektverzögerungen gibt oder Stellen nicht besetzt werden können, kann der Bund nicht das ganze Budget ausgeben. Dieser Überschuss steht aber nicht mehr zur Verfügung. Sondern er fliesst auf das Sparkonto der Schuldenbremse.

Nicht nur der Staat spart mehr, als er ausgibt. Sondern auch die ­privaten Haushalte, die Banken, die Versicherungen und die Pensions­kassen. Wir sparen in der Schweiz viel mehr, als wir investieren. Aus diesem Grund fliessen rund 50 Milliarden Franken ins Ausland. Sie werden dort angelegt statt in der Schweiz.

KEINE FIRMA

Aus ökonomischer Sicht braucht der Staat gar kein Vermögen. Solange es der Bevölkerung und den Unternehmen wirtschaftlich gutgeht. Denn der Staat ist keine Firma. ­Sondern der Staat sind wir alle. Oder umgekehrt: ohne den Staat gibt es auch keine Wirtschaft. Denn er gibt die ­Gesetze und die Rahmenbedingungen. Er sorgt für Ausbildung und Infrastruktur usw. Solange die Haushalte und die Wirtschaft finanziell auf guten Beinen stehen, wären aus ­ökonomischer Sicht deshalb auch Staatsschulden grundsätzlich kein Problem. Schwierig wird es vor allem dann, wenn sich ein Land – wie ein Entwicklungsland – im Ausland in ­einer Hartwährung verschulden muss. Dann steigen die Risiken, dass es die Zinsen einmal nicht mehr zahlen kann. In der Schweiz ist das Gegenteil der Fall. Weil Staat, Pensions­kassen und Haushalte Vermögen ­bilden, gibt es zu wenig Anlagemöglichkeiten. Die Zinsen sind extrem tief. Das ist nicht nur schlecht fürs Sparkonto, sondern auch für die ­Sozialversicherungen, die eigentlich 1500 Milliarden gewinnbringend und sicher anlegen müssten.

Es wäre gut, wenn auch Bundesrätin Keller-Sutter sich durch Statistiken leiten und ihre Sparvorhaben bei der AHV und den Sozialwerken aufgeben würde. Die öffentlichen Kassen sind voll. Während bei vielen Leuten das Geld kaum zum Leben reicht. Sparprogramme nützen den Reichen. Gut finanzierte Sozialwerke hingegen mittleren und tiefen Einkommen.

Daniel Lampart ist Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB).

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