Laura mal laut
Laura und die sexuelle Belästigung

Laura Gonzalez Martinez ist Verkäuferin in Zürich und Gewerkschafterin.

Seit zwanzig Jahren bin ich im Verkauf und habe einiges an sexueller Belästigung von Kunden und Arbeitskollegen erlebt. Eine Geschichte hat mich besonders geprägt.

GRÜSEL

Sie ist gar nicht so lange her, ich war neu in der Filiale und wollte unbedingt einen guten Eindruck machen. Da war ein viel jüngerer Arbeitskollege, und der machte von Anfang an sexistische Sprüche. Meine Aufforderungen, damit aufzuhören, hat er ignoriert. Er kam mir mehrmals zu nah. Das war sehr, sehr unangenehm für mich. Ich schaute oft die neuen Pläne an und hoffte inständig, dass wir nicht die gleiche Schicht haben. Ich war auch nicht die einzige, musste ich feststellen. Jede im Laden, auch unsere Kundinnen, mussten sein Benehmen ertragen. Ich war schockiert und sehr unsicher, wie ich damit um­gehen solle. Auch war mir nicht klar, an wen ich mich intern wenden sollte. Gab es eine Anlaufstelle? Ich hatte keine Ahnung.

UNGENÜGEND

Weil ich die Neue im Team war, brauchte ich sehr viel Überwindung, doch dann habe ich meiner Chefin alles erzählt. Von ihr kam aber keine Unterstützung, obwohl auch sie wusste, dass er so «tickte». Aus Personalmangel und Angst vor Konflikten machte sie nichts. In meinem privaten Umfeld erzählte ich die Situationen. Nach dem Kopfschütteln kamen lediglich Ratschläge, wie ICH mich zu verhalten hätte: aus dem Weg gehen, nicht auffällig sein oder eine neue Anstellung suchen. Das gehe vorüber. Nach ein paar Monaten musste dieser Mitarbeiter die Filiale verlassen, aber nicht wegen sexueller Belästigung. Wir hatten danach unsere Ruhe, und das Thema war damit gegessen.

KÜHLKETTE

Bis ich wieder mal eine Schulung machen musste. Thema: Kühlkette einhalten, jawohl. Temperatur kontrollieren, jawohl. Diese Schulung müssen wir mehrmals im Jahr machen. Da wurde ich sauer. Und fragte mich: Warum kann das Unternehmen nicht eine Schulung zu sexueller Belästigung machen? Als Pflicht für alle? Ich habe meine Gedanken dazu später der Unia kommuniziert. Danach hat mein Unternehmen einen kleinen Flyer in jeder Verkaufsstelle verteilt. Das Papierchen war vielleicht fünf Minuten bei uns im Umlauf, ich fand das lächerlich. Die Unia wiederum bietet Workshops an und geht aktiv in die Läden und Restaurants, thematisiert das vor Ort. Sie steht dafür ein, dass der Arbeitsplatz eine belästigungsfreie Zone ist. Bei einer Umfrage der Unia im Gastrobereich gaben drei Viertel der Befragten an, dass sie keine Hilfe der Chefs bekommen hätten. Von den Unternehmen fordere ich, dass sie das Thema sexualisierte Gewalt genauso ernst nehmen wie die Einhaltung der Kühlkette.

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