Neue EU-Kommission rückt nach rechts
L’EU, c’est moi!

Die zukünftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Kommissionskarten neu gemischt: Unbequeme Sozial­demokraten sind draussen, die äussere Rechte ist drin.

SPIEL MIT DEM FEUER: Ursula von der Leyen will die linke Regierungspartnerin schwächen und holt dafür Unterstützung von rechtsaussen. (Foto: Keystone)

Am 18. September liess Ursula von der Leyen die Katze aus dem Sack: Als designierte Präsidentin der künftigen EU-Kommission stellte sie 26 Kommissarinnen und Kommissare vor, die sie nach vielen Hinterzimmergesprächen ausgewählt hatte. Aus jedem EU-Land eine Vertretung, möglichst die Hälfte Frauen, gewichtige Posten auch für östliche Länder. Was ist die politische Logik dahinter?

DIE NEUE KOALITION IST DIE ALTE

Die EU-Parlamentswahlen vom Juni 2024 haben mit einem Patt geendet: Die sogenannte «Mitte», die in der Europäischen Volkspartei (EVP) zusammengefassten Konservativen, blieb die stärkste Fraktion. Rechtsaussen hat stark zugelegt, aber nicht mit dem prognostizierten Erdrutschsieg. Eine «Mitte-rechts»-Koalition bekam nicht ge­nügend Sitze. Denn die Linke hatte trotz Unkenrufen nicht verloren: Die sozialdemokratische Fraktion hat im neuen wie im alten Parlament 20 Prozent der Sitze. Die linkssozialistische Fraktion hat noch einige Sitze zugelegt. Verloren haben die Liberalen und die Grünen.

Die Rechnung für die künftige EU-Kommission war danach schnell gemacht. Es gibt nur eine mögliche Regierungskoalition, und das ist die gleiche wie seit Jahrzehnten: Europäische Volkspartei (EVP), Sozialdemokraten und Liberale. Zusammen haben sie die absolute Mehrheit im EU-Parlament. Diese Parteien haben Ursula von der Leyen erneut zur Kommissionspräsidentin gewählt und ihr den Auftrag zur Bildung der neuen Kommission gegeben.

KONZERNE HABEN ERFOLGREICH LOBBYIERT

Mit der Zusammensetzung der Kommission hat jetzt von der Leyen die sozialdemokratischen ­Koalitionspartner vor den Kopf gestossen. Die ­Sozialdemokraten erhalten weniger gewichtige Regierungssitze, als ihnen zustehen. Der sozialistische Spitzenkandidat und erfolgreiche Arbeitsminister Nicolas Schmit (work berichtete) muss seinen Sitz räumen. Das frühere Ministerium für «Arbeit und Soziales» hat von der Leyen zum Ministerium für «People and Skills», also «Fachkräfte und Kompetenzen» degradiert. Der Europäische Gewerkschaftsbund protestiert gegen diese Herabsetzung, die wenig Gutes erahnen lässt. Dahinter ­stecken die Arbeitgeber, die in der letzten Legislatur bei arbeitnehmerfreundlichen EU-Richtlinien zu Mindestlohn, Kollektivverhandlungen und Plattformarbeit Niederlagen einstecken mussten. Das Lobbyieren der Konzerne bei von der Leyen war offensichtlich erfolgreich. Diesem Ministerium steht neu die weitgehend unbekannte rumänische Sozialdemokratin Roxana Mînzatu vor.

Etwas weniger unglücklich sind die Grünen: Der europäische «Green Deal» ist in der Zusammensetzung und im Aufgabenbeschrieb der Kommission nicht wie befürchtet zurückgestutzt. Garantin dafür ist unter anderem die spanische ­Sozialistin Teresa Ribera. Sie war bis jetzt Spa­niens gefürchtete Umweltministerin und bekommt in der neuen EU-Kommission eine starke Stellung: Vizepräsidentin und Verantwortliche für den «gerechten» ökologischen Umbau. Ein dänischer Sozialdemokrat wird zudem verantwortlich für Energie.

MTTE RUTSCHT NACH RECHTS

Eine Nominierung sorgt jedoch für Empörung: Raffaele Fitto. Italiens Regierung hat ihn nominiert, er gehört zu den rechtsextremen Fratelli d’Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Ob das Parlament dieser Nominierung tatsächlich zustimmt, ist noch offen. Das Parlament muss alle vorgeschlagenen Kommissarinnen und Kommissare bestätigen. In der Vergangenheit ist es auch schon vorgekommen, dass bis zu drei Nominationen in der Versenkung landeten. Viele finden es skandalös, dass von der Leyen dem Druck von Giorgia Meloni nachgibt. Es ist Ausdruck davon, dass die sogenannten «Mitteparteien» der EVP nach rechts rücken. Die neue EU-Kommission «ist ein Spiegel der aktuellen konservativen Regierungen in vielen EU-Ländern» sagt der sozialistische EU-Parlamentarier Nicola Zingaretti. «Sie ist einen Schritt zurück.»

* Andreas Rieger war Unia-Co-Präsident, und als ­work-Kolumnist schrieb er über EU-Themen. Er ist in der europäischen Gewerkschaftsbewegung aktiv.

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