1x1 der Wirtschaft
Mindestlöhne wirken – wie gewünscht

Die Wirtschaftswissenschaften haben nur wenige Themen stärker erforscht als Mindestlöhne. Das gilt besonders für die letzten 30 Jahre. Sie brachten zahlreiche Studien zur Wirkung von Mindestlöhnen hervor. Dank neuen ­Methoden und Daten wurden die ­Studien immer besser. Zwei führende Mindestlohnforscher zeigen nun in ­einer Übersichtsarbeit, dass Mindestlöhne vor allem das tun, was man von ihnen erwartet: Sie erhöhen die Löhne von Tieflohnbeschäftigten. Auf die Zahl der Arbeitsplätze – und damit die ­Arbeitslosigkeit – haben sie aber kaum einen Einfluss. Teilweise finden die Studien gleich viele oder sogar zusätzliche Arbeitsplätze dank einem ­Mindestlohn. Selbst wenn die Studien einen Rückgang der Beschäftigung messen, fällt er im Vergleich zu den Lohnerhöhungen klein aus. Unter dem Strich erhöhen sich die Einkommen der Arbeitnehmenden deutlich.

Auch in der Schweiz

Neue Unter­suchungen aus der Schweiz bestätigen den Befund. Für den Mindestlohn in Genf konnten gleich zwei Studien im Auftrag des Kantons keinen ­wesentlichen Einfluss auf die Arbeitslosigkeit nachweisen. Selbst bei jungen ­Beschäftigten ohne Lehre finden sich keine besorgniserregenden ­Auswirkungen. Auch der Tessiner ­Mindestlohn kann nicht mit höherer Arbeitslosigkeit in Verbindung gebracht werden. Er erhöhte aber die tiefsten Löhne merklich, wie eine neue Untersuchung der Universität der italienischen Schweiz zeigt.

Gegenmacht nötig

Mindestlöhne führen zu höheren Löhnen und nicht zu mehr Arbeitslosigkeit, weil sie den Arbeitgebern einen Riegel schieben, die Löhne zu drücken. Denn Unter­nehmen zahlen nämlich meist weniger, als was sie sich eigentlich leisten könnten. Das gilt besonders im Tieflohnbereich, wo Arbeitnehmende nur wenige Alternativen haben und deshalb gezwungen sind, für einen tiefen Lohn zu arbeiten. Selbst mit einem Mindestlohn lohnt sich deshalb das Geschäft für die Firmen. Die Arbeit­geber drücken aber auch die Löhne von Arbeitnehmenden mit höherem Einkommen. Das sehen wir derzeit gut: So verdienen heute viele Arbeitnehmende nach Abzug der Teuerung ­weniger als 2020. Der Macht der ­Arbeitgeber, Lohnfortschritte zu verweigern, muss dringend etwas ent­gegengesetzt werden. Das Instrument der Wahl sind hier nicht staatliche Mindestlöhne, sondern starke ­Gewerkschaften.

Daniel Lampart ist Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB).

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