Jean Ziegler ‒ la suisse existe
Nato-Beitritt der Schweiz?

Jean Ziegler

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Die Nato ist die nordatlantische Verteidigungsorganisation mit Sitz in Brüssel. Sie wurde am 4. April 1949 in Washington gegründet. Heute gehören ihr 32 Staaten an. 1991 löste sich der Warschauer Pakt (die Verteidigungsgemeinschaft der kommunistischen Staaten) auf, mit dem Verschwinden der Sowjetunion. Die Nato blieb bestehen.

HEFTIGER WIDERSTAND

Die Nato sorgt gegenwärtig für Zwist und Aufregung in Bern. Soeben hat ihr der Bundesrat erlaubt, einen regionalen Sitz in der Schweiz zu eröffnen. Dies stösst bei den Gewerkschaften, der SP sowie bei anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen auf heftigen Widerstand. Der Nato-Sitz soll in einem symbolträchtigen Gebäude eingerichtet werden: der «Maison de la Paix» an der Avenue de France in Genf. Seit dem bundesrätlichen Entscheid reissen die Proteste und Kundgebungen vor der «Maison de la Paix» nicht ab.

Warum will die Nato in die Schweiz? Genf ist das europäische Hauptquartier der Uno. Dort sind die wichtigsten Spezialorganisationen und Nichtregierungsorganisationen eingerichtet. Mit ihrem Genfer Büro erhofft sich die Nato grösseren Einfluss. Die Gegnerinnen und Gegner des Genfer Nato-Büros fürchten, dass dieses zu einem Schweizer Nato-Beitritt führen könnte. Wohl zu Recht.

MASSIVE AUFSTOCKUNG

Verteidigungsministerin Bundesrätin Viola Amherd hat eine Untersuchungskommission zur schweizerischen Sicherheitspolitik einberufen. Diese hat vergangenen Donnerstag ihren Bericht abgeliefert. Der Bericht begrüsst die Annäherung an die Nato und eine «Neudefinition» der Neutralität. Auch das Waffenexportverbot soll zukünftig in Frage gestellt werden.
Der Kommissionsbericht stützt die Forderung der Armee auf eine massive Aufstockung der Militärausgaben. Das Ziel ist die Festlegung der Militärausgaben auf 1 Prozent des ­Bruttosozialprodukts. Das bedeutet eine Steigerung von 5 auf 8 Milliarden Rüstungsausgaben.

REINE FARCE

Das einzige sozialdemokratische Mitglied der Sicherheitskommission, ­Nationalrat Pierre-Alain Fridez, hat die ­Kommission aus Protest verlassen. Fridez hat gleichzeitig ein Buch veröffentlicht. Sein Titel «Russische Panzer werden die Schweiz nicht überfallen». Für Fridez ist der Kommissionsbericht eine reine Farce.

Wir stehen an einer Zeitenwende. Ein Nato-Beitritt würde die helvetische Neutralität begraben und unser Land für immer einer autonomen Aussenpolitik berauben. Der Kampf in Bern ist noch nicht entschieden. Von unserer aktiven Solidarität mit den Gewerkschaften und all den anderen Gegnern des schleichenden Nato-Beitritts hängt es ab, ob Neutralität und Vernunft schliesslich siegen.

Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein 2020 im Verlag Bertelsmann (München) erschienenes Buch Die Schande Europas. Von Flüchtlingen und Menschenrechten kam im Frühling 2022 als Taschenbuch mit einem neuen, stark erweiterten Vorwort heraus.

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