worktag: Servicefachfrau / Designerin
Laura Soler (45) fühlt sich im Gastgewerbe wohl – doch sie hat einen Traum

Vor vier Jahren war ihr Leben auf einem Tiefpunkt. Jetzt ist Laura Soler gerade dabei, sich neu zu erfinden. Neben der Arbeit im Service verkauft sie ihre Design­stücke im eigenen Webshop.

LAURA SOLER (45): «Man soll nie sagen, jetzt sei es zu spät. Wer weiss…» (Foto: Isabelle Haklar)

Es leuchtet. In kräftigen, manchmal grellen Farben. Laura Soler scrollt auf dem iPad durch ihre Werke. Es gibt Schmetterlinge, einen Zauberhut, Comicfiguren. Manchmal ein wildes Sammelsurium. Die Bilder erinnern mal an Kleider der Marke «Desigual», mal an den Maler Friedensreich Hundertwasser. «Das ist der Anfang meiner neuen Kollektion», sagt die 45jährige. Nächstes Jahr im Mai will sie damit fertig sein, pünktlich zur Fantasy Basel. Die Comic-, Game- und Cosplay-Messe ist seit ­Jahren ein Fixpunkt in Solers Kalender. Diesmal wird sie mehr sein als eine Teilnehmerin. Sie hat einen Stand gebucht. Um ihre Werke zu verkaufen.

«Jetzt habe ich ein Ziel», sagt sie. Und dann leuchten ihre Augen noch stärker als ihre Bilder, als sie sagt:

Das Malen ist meine Leidenschaft. Ich bin voll mit Energie und Motivation.

DANKBAR

Das war sie auch vor elf Jahren, als sie aus Spanien in die Schweiz kam, um im Service zu arbeiten. Die Arbeit gefalle ihr, sagt sie, noch heute. In der Schweiz sogar mehr als in Spanien: «Hier sind die Leute so dankbar!» Wie bitte? Doch, erklärt sie, in Spanien sei die Kundschaft oft ungeduldig und behandle das Personal ohne Respekt. «Aber hier, wenn du jemanden freundlich bedienst, sagen sie am Schluss: Danke für die nette Bedienung.»

Lange ging das gut. Besonders, als sie die Stelle im «Florida» annahm, einem Hotel und Restaurant in Studen BE. «Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich einen Chef, der sagte: Wenn du Zeit hast, mach das und das. Das war ein komplett anderes Arbeiten als bisher!» Doch dann, 2020, klappte sie zusammen. Die Energie war weg, nichts ging mehr. Was war passiert? Es sei «ein Cocktail» aus Belastungen gewesen, sagt sie: Die langen Arbeitstage im Service. Die Tochter im Teenager-Alter, die Soler als alleinerziehende Mutter viel abverlangte. Dazu die ständigen Rückenschmerzen. Seit Geburt lebt sie mit Sko­liose, einer Fehlstellung der Wirbelsäule. «Ich habe jeden Tag Schmerzen.» Heute habe sie gelernt, besser auf sich zu achten. Doch damals mutet sie sich zu viel zu.

TIEFPUNKT

Nach zwei Wochen geht es besser, sie kann wieder arbeiten. Und ausgerechnet dann kommt der Corona-Lockdown. Alle Restaurants müssen schliessen. Soler hat Geldsorgen: Während der Kurzarbeit bekommt sie netto nur 2800 Franken im Monat, 600 Franken weniger als ihr Lohn, dazu fallen alle Trinkgelder weg. Im work sagt sie damals: «Ich bin ein fröhlicher Mensch, ich will das Leben geniessen. Und nicht bei jedem Einkauf überlegen: Könnte ich das einsparen?» (work berichtete).

Keine Frage, sagt sie heute: «Das war der Tiefpunkt in meinem Leben.» Als die Beizen wieder öffnen, kehrt sie dem Gastgewerbe den Rücken und beginnt als Verkäuferin in einer Confiserie. Doch der Chef hält sich nicht an Abmachungen, also geht sie wieder. Während dieser Stellen- und Sinnsuche reift in ihr die Idee, mit der Kunst Geld zu verdienen. Schon als Kind habe sie Gedichte geschrieben, später Klavier gespielt, sagt sie. Sie träumte davon, Komponistin zu werden. Doch die Familie war arm, ein Musikstudium teuer. Jetzt traut sie sich, die alten Träume wieder zu erwecken. Sie kauft Leinwand und Farben aller Art und beginnt zu malen.

INSPIRIERT

Einmal, an der Fantasy Basel, sieht sie eine junge Frau, die Bilder verkauft. «Wenn keine Kundschaft da war, malte sie – auf einem Tablet. Das hat mich inspiriert.» Soler besucht einen Kurs in Grafikdesign, kauft ein iPad, findet eine passende Software. Den entscheidenden Kick gibt ihr im letzten Herbst eine Reise nach Spanien. Nach mehreren Jahren Pause besucht sie wieder ihre Heimatregion Castelló in der Nähe von Valencia. Dort gebe es auf Plätzen und an Kreuzungen viele Skulpturen, fast alle mit Keramik in kräftigen Farben, sagt sie.

Und plötzlich habe ich mich darin erkannt! Erst jetzt habe ich verstanden, warum ich male, wie ich male – warum bei mir alles so farbig ist. Da wusste ich: Jetzt muss ich das machen.

STUR

Schritt für Schritt macht sie aus dem Hobby eine Geschäftsidee. Ihre Werke lässt sie auf Taschen, Rucksäcke und Kleider drucken, und zwar «on demand», wie sie sagt: Erst wenn jemand ein Stück bestellt, wird es von einer spezialisierten Firma bedruckt und per Post verschickt. «Jetzt, wo ich alles organisiert habe, kann ich mich auf die Kunst konzentrieren.» Um die 500 Franken verdient sie pro Monat damit. Ihren Lebensunterhalt verdient sie seit kurzem wieder im Service, im Tertianum-Altersheim in Solothurn. Bisher gefalle ihr die Arbeit sehr. Der Kontakt mit den alten Menschen und auch die Arbeitszeiten: An den Abenden und jedes zweite Wochenende frei. «Fürs Gastgewerbe ist das Luxus!»

Auf Wunsch des Heims nennt Soler ihren Monatslohn nicht. Sagt aber, er liege ein gutes Stück über dem Mindestlohn des Gastro-Gesamtarbeitsvertrags für Leute mit dreijähriger Lehre. Dieser liegt dieses Jahr bei 4470 Franken brutto. Derzeit arbeitet sie 80 Prozent. Und sagt: «Mein Ziel ist es, null Prozent angestellt zu sein und 200 Prozent für die Kunst zu geben.» Dann lächelt sie verschmitzt und sagt: Der Traum, Musik zu komponieren, lebe bis heute in ihr. «Man soll nie sagen, jetzt sei es zu spät. Wer weiss…»


Laura SolerErster Gastro-Job mit 12 Jahren

Im Parterre des Hauses, in dem Laura Soler aufwuchs, war ein chinesisches Restaurant. Mit der Familie, die es betrieb, habe sie sich auf Anhieb gut verstanden: «So oft ich konnte, war ich dort.» Bereits mit 12 Jahren hilft sie fast jedes Wochenende mit und verdient sich ein Taschengeld. «Das war natürlich ver­boten, aber mir gefiel es. Ab dann habe ich fast mein ganzes Leben im Gast­gewerbe gearbeitet.» Heute ist Soler übrigens Unia-Mitglied.

TANZ UND TV

Sie nahm und nimmt sich daneben auch immer wieder Zeit für Nebenjobs, etwa als Salsa-Tanzlehrerin oder, seit etwa sechs Jahren, als TV-Moderatorin: Für den Schweizer Sender Diaspora TV liest sie die spanischen Nachrichten, ein- bis dreimal pro Monat.

In der Freizeit reist sie gerne umher und erkundet die Schweiz: «Die Berge finde ich unglaublich schön – meine Lieblings­gegend ist das Berner Oberland, besonders Brienz.» Sie lebt in Biberist SO zusammen mit ihrem Freund, einem Mechaniker. Ihre 23jährige Tochter Laureeta ist Sängerin und lebt seit einem Jahr wieder in Spanien.

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