Ceva Logistics schliesst Standort in ­Neuendorf SO
Zalando-­Zulieferer schasst 350 Frauen

Der Fast-Fashion-Dealer ­Zalando zügelt seine Retouren-Abfertigung ins Tessin und bricht der Solothurner Ceva damit das Genick. Zalando beschwichtigt. Sein ­neuer Partner arbeite «eng mit der örtlichen Gewerkschaft ­zusammen». Wirklich?

RETOURKUTSCHE AUF KOSTEN DER BÜEZERINNEN: Weil der Päckli-Gigant Zalando seine Retouren ins Tessin verlagert, stehen die Ceva-Tieflöhnerinnen in Neuendorf vor dem Nichts. (Illustration: work)

Es war eine Mitteilung wie eine Ohrfeige, die am 26. September bei den 350 Mitarbeitenden der Ceva Logistics in Neuendorf SO einging: «Leider», schrieb die Geschäftsleitung, sei man «zum Schluss gekommen», dass der Standort wohl geschlossen und die gesamte Belegschaft entlassen werde. Erste Kündigungen seien bereits in diesem Monat zu erwarten. Der Grund: ­Za­­la­­n­­­do habe auf Ende Jahr den Vertrag gekündigt.

Zur Erinnerung: Der Onlineversand­händler mit Sitz in Berlin lässt seine Retou­renpakete von Externen abwickeln – in der Schweiz von der berüchtigten Tieflohnfirma MS Direct in Arbon TG (work berichtete) und (noch) von der Ceva, einem internationalen Logistikdienstleister mit Sitz in Baar ZG. Ceva-Mehrheitseigner ist die Reedereigesellschaft CMA-CGM des fran­zösischen Multimilliardärs Rodolphe Saadé. In Neuendorf bediente seine Ceva fast ausschliesslich den Fast-Fashion-Händler. Ein Klumpen­risiko, das nun voll zu Lasten der Arbeitenden geht. Betroffen sind 213 Direktangestellte und 138 Temporäre. 96 Prozent davon sind Frauen, viele erst seit kurzem in der Schweiz. Sie stehen vor dem Nichts. Die Gemeinde und der Kanton Solothurn befürchten bereits einen erheblichen Anstieg der Arbeitslosenquote. Zwar kann die Belegschaft noch Rettungsvorschläge einbringen. Doch die Konsultationsfrist endet schon am 25. Oktober. Und zumindest für ­Za­­­­lando ist die Sache längst geritzt.

Kürzere Wege dank Tessin?

Eine Konzernsprecherin sagt auf Anfrage:

Unser Ziel ist es, unseren Kund*innen in der Schweiz und in Europa ein einwandfreies Shop­­pingerlebnis zu bieten.


Um die Transportzeiten und -wege für die Retouren der Schweizer Kundschaft zu verkürzen, habe man in den letzten Monaten nach einem Standort in der Südschweiz gesucht. Fündig wurde Zalando in Sant’Antonino in der Tessiner Magadinoebene. Dort steht seit 2014 ein riesiges Logistikzentrum, in dem bis zu einer Massenentlassung im Jahr 2019 Modeartikel von Gucci und Yves Saint Laurent ­verpackt wurden.

Heute ist dort der US-Kontraktlogistik­konzern GXO tätig. Der neue Partner bringt Zalando zum Schwärmen. Das GXO-Gebäude sei «technisch auf dem neusten Stand» und biete «eine sehr gute Arbeitsumgebung». Und dank direkter Gleislage könne man vermehrt auf die Schiene setzen und den LKW-Verkehr reduzieren. Tönt gut. Aber: Wegzeiten verkürzen mit einem Standort im Tessin? Für Roman Künzler, Logistikverantwortlicher bei der Unia, sind ­zumindest Zweifel angebracht:

Die meisten Retouren kommen aus der Deutschschweiz und müssen auch wieder in den Norden zurück, oft sogar direkt nach Deutschland oder Polen!

Zwar habe Sant’Antonino logistisch eini­­ges zu bieten. So liege das Post-Paket­zentrum Cadenazzo nur fünf Autominuten entfernt. Doch auch die Ceva in Neuendorf liege nur fünf Minuten neben einem Paketzentrum, und zwar dem grössten der Schweiz, jenem in Härkingen. Und vor allem: Neuendorf liegt nicht hinter dem Gotthard! Dort aber winken andere Vorteile für Konzerne.

«Keine Reaktion auf Protest»

Im Tessin liegt der gesetzliche Mindestlohn ­im Bereich der Kleiderkonfektionierung bei 19.50 Franken pro Stunde. Fast ausschliesslich Grenzgängerinnen aus Italien sind in diesem Bereich tätig. In Neuendorf hingegen zahlt die Ceva heute wenigstens 21 Franken. Dies nachdem die Arbeiterinnen mit der Unia mehrmals Protestaktionen durchgeführt und auch mit Streik gedroht hatten. So erkämpften sich die Frauen auch einen 13. Monatslohn, mehr Ferien und mehr Direktanstellungen. Ausserdem hat Ceva im Dezember 2023 eine Lohnerhöhung von 2 Prozent in Aussicht gestellt, aber nie umgesetzt. So oder so: Mit einem Wegzug in die Tessiner Tieflohnzone ergibt sich ein beträchtliches Sparpotential. Zumal dort nur noch 200 Stellen bestehen sollen. Zalando aber beschwichtigt: Das Aus in Neuendorf sei «in keiner Weise eine Reaktion auf gewerkschaftliche Aktivitäten». Die Vereinigungsfreiheit werde von allen Partnern respektiert. Mehr noch: GXO arbeite bereits «eng mit der örtlichen Gewerkschaft zusammen, um faire Arbeitsbedingungen zu bieten».

Unia nimmt Zalando beim Wort

Auf die Frage, um welche Gewerkschaft es sich denn handle, verweist Zalando auf GXO. Und GXO schweigt. Bei den Tessiner Gewerkschaften ist man jedenfalls erstaunt. Die Unia hatte bisher lediglich einmal jährlich einen losen und unverbindlichen Austausch mit GXO. Bei den christlichen Verbänden OCST und Transfair weiss man von gar nichts, wie Travail-­Suisse-Vizepräsident und Mitte-Nationalrat ­Giorgio Fonio betont. Und auch Marco Forte, der Tessiner Regionalverantwortliche von Syndicom, verneint eine Verbindung seiner Gewerkschaft mit GXO. Unia-Mann Künzler will Zalando jedenfalls beim Wort nehmen:

Wir haben das GXO-Management kontaktiert und erwarten eine konstruktive Zusammenarbeit für die versprochenen fairen Arbeitsbedingungen.

Aber auch Zalando stehe in der Pflicht: «Der Konzern muss mindestens dafür sorgen, dass die Ceva-Arbeiterinnen einen guten So­zialplan bekommen!»

GXO in Italien angeklagt: Die Steuerfahnder konfiszieren Millionen!


Als Abspaltung des US-Transportriesen XPO existiert GXO erst seit 2021. Doch in Italien droht dem Unternehmen bereits ein Fiasko. Die Mailänder Staatsanwaltschaft wirft ihm nämlich Steuerbetrug vor und hat Anfang Juli 84 Millionen Euro beschlagnahmt! GXO habe durch das Anheuern sogenannter Koopera­tiven gegen Arbeits- und Steuergesetze ­verstossen. Diese «Kooperativen», faktisch ­reine Arbeitsvermittler, hätten GXO Personal zur Verfügung gestellt, aber keine Steuern und Sozialabgaben entrichtet. Dieses Geschäftsmodell führe zu Ausbeutung und un­lauterem Wettbewerb, so die Staatsanwaltschaft. GXO bestreitet die Vorwürfe. (jok)

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