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Chemielaborantin Barbara Wildner (26): Kaum in der Schweiz, schon in der Unia

Barbara Wildner arbeitet in Visp als Chemielaborantin bei der Lonza. Sie sorgt dafür, dass ­Medikamente sicher auf den Markt kommen. Ein Job mit grosser ­Verantwortung – und Risiken.

FÜR CHEMIELABORANTIN Barbara Wildner (26) ist Präzision Pflicht. (Foto: Isabelle Haklar)

Barbara Wildner stammt ursprünglich aus Hessen, Deutschland. Ein Headhunter machte sie auf die Stelle bei Lonza aufmerksam. Wildner zögerte nicht lange, bewarb sich und erhielt die Zusage – eine Entscheidung, die sie bis heute nicht bereut. Vor drei Jahren zog sie für ihren Job als Chemielaborantin bei der Lonza in die Schweiz. Mittlerweile hat sie sich gut eingelebt, pendelt von ihrem Wohnort Thun ins Wallis, wo Lonza als globaler Pharmariese rund 5000 Mitarbeitende am Standort Visp beschäftigt. Über 80 Nationali­täten sind dort vertreten, was für ­einen kulturellen Austausch sorgt. Die 26jährige sagt:

Hier hört man verschiedenste Sprachen, und dadurch wird auch mein Englisch öfter gefordert – das hilft mir nicht nur im Beruf, sondern auch im Privat­leben beim Reisen.

Als Kind hatte Wildner viele Berufswünsche: Tierärztin, Feuerwehrfrau oder Gerichtsmedizinerin. Doch im Teenager­alter wurde Chemie zu ihrem Lieblingsfach, wodurch der Beruf der Chemielaborantin für sie interessant wurde. «Ich bin bis heute froh über meine Berufswahl.»

Präzision

Als Chemielaborantin in der analytischen Chemie führt Wildner Qualitätskontrollen durch. «Ich untersuche fertige Produkte. Dabei ist es meine Aufgabe sicherzustellen, dass alle gesetzlich vorgeschriebenen Richtlinien eingehalten werden.» Der Arbeitstag beginnt mit der Planung von Versuchen: Geräte vorbereiten, Chemikalien ansetzen und Proben messen. Ein wesentlicher Teil ihrer Tätigkeit ist die genaue Dokumentation der Ergebnisse. Das ist bei Medikamenten besonders wichtig, denn «am Ende kommen die Produkte auf den Markt und werden von Menschen konsumiert».

Sicherheit

Im Labor herrschen strikte ­Sicherheitsregeln. «Ohne Schutzkleidung geht nichts. Laborkittel, Schutzbrille, Sicherheitsschuhe und Handschuhe sind Standard.» Ausserdem gibt es spezielle Arbeitsplätze, die vor chemischen Dämpfen und Spritzern schützen.

Die Sicherheit hat oberste Priorität. Ohne diese Massnahmen wäre unsere Arbeit undenkbar, denn viele Chemikalien können gefährlich sein, von allergischen Reaktionen bis hin zu Verätzungen.

Trotz modernster Technik läuft nicht immer alles glatt. «Manche Geräte sind etwas launisch. Doch mit guter Pflege sind sie meist zuverlässig – und die Problemlösung macht den Job spannend.»

Streik

Schon in der Kindheit waren Diskussionen über Themen der Arbeiterklasse fester Bestandteil am Küchentisch in Wildners Familie.

Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, meine Eltern haben mir schon früh vermittelt, wie wichtig Gewerkschaften seien. Mein Vater war bei Streiks der IG Metall dabei, und für mich war es selbstverständlich, mich auch zu engagieren.

So war sie schon in Deutschland Mitglied der IGBCE, der Industriegewerkschaft für Bau, Chemie und Energie. Als sie 2021 am Bahnhof Visp an einem Unia-Stand angesprochen wurde, war für sie klar, dass sie auch in der Schweiz weiter aktiv sein würde.

Heute ist sie in der Unia-Jugend Oberwallis und der IG Frauen aktiv. «Wir organisieren Kampagnen, informieren junge Leute über ihre Rechte und bereiten Streiks vor. Bei der Lohndemo dieses Jahr waren wir auch dabei. Gewerkschaftsarbeit ist wichtig, um faire Arbeitsbedingungen zu sichern. Arbeitgeber haben in der Vergangenheit nichts geschenkt – alles musste erkämpft werden.» Mit ihren ­Arbeitsbedingungen ist Wilder zwar zufrieden, doch betont sie, dass die Gewerkschaftsarbeit auch in ihrer Branche wichtig sei:

Wir müssen uns gemeinsam dafür einsetzen, dass Löhne und Sicherheitsstandards weiterhin hoch bleiben.

Zukunft

Die Chemiebranche steht vor vielen Veränderungen, und Wildner sieht Entwicklungen wie die Automatisierung und den Einsatz von künstlicher Intelligenz positiv. «Viele Verfahren können in Zukunft noch viel genauer gemessen werden. Komplett ohne Menschen wird es aber nicht gehen. Zu wichtig ist die Kon­trolle durch erfahrene Fachkräfte.»

Auch privat hat sie Pläne: «Ich möchte irgendwann mit meinem Freund zusammenziehen und mich weiter in der Schweiz einleben.» Rückkehr nach Deutschland? Für sie keine Option: «Ich bin sehr glücklich, hier zu sein, und habe es keine Sekunde bereut.»


Barbara Wildner Wasser und Wandern

In ihrer Freizeit ist Barbara Wildner gern aktiv: Sie liest, schwimmt und erkundet die Natur mit dem Fahrrad. Besonders das Wandern in den Schweizer Bergen hat es ihr angetan.

Direkt

An kulturelle Unterschiede musste sie sich hier zuerst gewöhnen. «Die Schweizer sind weniger direkt und zurückhaltender als die Deutschen», sagt sie. Anfangs fiel ihr die Umstellung schwer, da sie selbst zu einem direkten Ton neigt. Auch die Grundeinstellung sei im Vergleich zu ihrer Heimat aufgehellter und positiver.

SCHNELL

Da viele ihrer Freunde, ihre Familie und ihr fester Freund noch in Deutschland leben, pendelt sie oft zwischen den beiden Ländern. «Das nimmt natürlich Zeit in Anspruch, aber macht das Leben spannend.» Mittlerweile versteht sie auch das Schweizerdeutsch gut. «Klar, ich frage immer mal wieder nach, aber man lernt schnell.»

Barbara Wildner ist Unia-Mitglied und verdient 74 000 Franken jährlich, also 5670 Franken brutto pro Monat (bei 13 Monatslöhnen). Dazu kommen Zuschläge für Bereitschaftsdienst, was in der Chemie­branche üblich ist – sowie ein Bonus von 6 Prozent des Jahresgehaltes.

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