work-Wissen
Der Seiltanz zwischen Chef und Gewerkschafter

Walter Trösch, ­sozialistische ­Legende aus dem ­Mittelland, gründete 1905 eine der ­ersten ­Arbeiterzeitungen. Die neue ­Romanbiographie ehrt sein ­bewegtes Leben.

WALTER TRÖSCH MIT FAMILIE: Der Verleger lebte mit seiner Frau und den Kindern in Olten. (Foto: ZVG/ Privatarchiv)

Walter Trösch war Verleger, Sozialist und Pazifist. Das verrät bereits der Buchdeckel der neu erschienenen Romanbiographie. Bei der Lektüre wird schnell klar, Trösch war noch viel mehr: Feminist, Arbeiterkind, Gewerkschafter, Vater, Politiker und Unternehmer. Die Romanbiographie «Solange es Tag ist» von Mara Meier zeigt sein aussergewöhnliches Leben, geprägt von Armut, Arbeit und dem Wunsch nach Fairness. Vor allem für Leserinnen und Leser mit Oltner Wurzeln beginnt mit dem Buch eine Zeitreise durch die Eisenbahnstadt und zeigt mit historischen Fotos, wie das Örtchen vor über hundert Jahren aussah und was die Menschen beschäftigte. Viele Kämpfe sind heute noch die gleichen: Lohnsorgen, Gleichstellung und die Rechte der ­Arbeiterschicht.

Trösch kommt 1875 in Herzogenbuchsee BE zur Welt. Der kleine Bub flüchtet gerne in die Welt der Bücher. Der Vater ist Schuhmacher, die Mutter Hausfrau und Hutmacherin. Sie entpuppt sich schon früh in der Geschichte als starke, unabhängige Frau. Die Familie wächst in Armut auf und trotz dem Alkoholproblem und den beruflichen Misserfolgen des Vaters ebnet die Mutter für alle drei Kinder den Weg zur Ausbildung. Walter, der älteste Sohn, darf nicht in die Sekundarschule. Ein Junge aus der Arbeiterklasse habe auf diesem Bildungsweg keine grossen Perspektiven und sollte besser eine Lehre machen. In Münsigen BE bei der Druckerei Fischer absolviert er die Ausbildung als Schriftsetzer und Buchdrucker. Sein Lehrmeister ist streng, in Tröschs Augen der strengste weit und breit. Doch seine strenge Schule öffnen Trösch viele Türen – in Paris, London und New York.

Die Gewerkschaften für sich entdeckt

Auf eigene Faust reist der junge Typograph um die Welt. Bei seinem ersten Stop in Paris lernt er nicht nur neue Technologien an den Druckmaschinen, sondern auch fliessend Französisch und entdeckt die Leidenschaft fürs Velofahren. Bei seiner nächsten Station in England merkt Trösch: ohne die Sprache geht nichts. Deshalb chrampft er dort in der Gastronomie und erkennt, wie wichtig die Gewerkschaften sind. Und schliesslich die letzte Station: New York. Acht Pfund kostete im Jahr 1902 die Überfahrt in die USA. Dank den starken Typographen-Gewerkschaften fand Trösch Arbeit im Grossstadtdschungel.

Das Leben leben

Mit 30 Jahren kehrt er zurück in die Heimat und gründet 1905 in Olten die «Neue Freie Zeitung». Die Presse vermeldete dies wie folgt: Eine neue «Tröschmaschine», also eine Dreschmaschine, wurde erfunden, mit der das «Kapital» verdroschen werden soll. Die Arbeiterzeitung war eine der ersten der Schweiz und somit die grosse Schwester von work. Das Buch zeigt eindrücklich, wie Trösch Tag und Nacht für den Aufbau und die Etablierung einer neuen Zeitung arbeitete. Obwohl er in der Zwischenzeit heiratete, Vater von zwei Kindern wurde und ein stattliches Anwesen in Olten kaufte, wirkte Trösch nie wie ein fetter, ausgeschlafener und reicher Chef.

Fast schon trotzig konnte er seinen Erfolg nicht anerkennen und blieb ein hart arbeitender Büezer.

Das kapitalistische Märchen vom beruflichen Megaerfolg ging für Trösch aber nie ganz in Erfüllung.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam es auch unter den Linken im Kanton Solothurn zu Unstimmigkeiten. Statt an einem Strang zu ziehen, zerfleischten sich seine Parteikollegen untereinander. Trösch fragte sich: «Wann hatten die Genossen angefangen, untereinander fast noch heftiger zu streiten als mit dem äusseren Gegner, den Kapitalisten?»

Eine weitere grosse Herausforderung war der Generalstreik 1918: für Trösch eine komplizierte Ausgangslage, denn er war schon sein ganzes Leben engagierter Gewerkschafter. Und dennoch als Unternehmer angewiesen auf seine Arbeiter in der Druckerei. «Solange es Tag ist» ist ein bewegender Roman, der zeigt: Wir sollten neben der Büez und dem politischen Engagement nicht vergessen, das Leben zu leben.

Solange es noch Tag ist von Mara Meier. Romanbiographie über Walter Trösch, erschienen im Zytglogge-Verlag. 232 Seiten, erhältlich zum Preis von 32 Franken.

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