Laura mal laut
Laura und das Biogas

Laura Gonzalez Martinez ist Verkäuferin in Zürich und Gewerkschafterin.

Kürzlich in meiner Molkiabteilung: Ein Kunde hält mir eine Packung Milch vor die Nase und fragt, warum diese Milch mit dem heutigen Ablaufdatum noch zu verkaufen sei. Sie müsse doch vom Verkauf genommen werden! Ich drücke ihm die gleiche Marke Milch mit neuerem Datum in die Hand. Er ist nicht zufrieden und beharrt darauf, dass die Produkte entfernt werden müssten. Ich erkläre ihm, dass wir die Richtlinien der Qualitätssicherung einhalten. Das Datum ist ein «Zu verkaufen bis». Produkte, die am gleichen Tag ablaufen, werden später an diesem Tag mit 25 oder 50 Prozent angeschrieben und nach Ladenschluss entfernt. Wir können nicht einfach Produkte wegnehmen, wie es uns gefällt. Und man bedenke, das sind Lebensmittel! Schon klar, sagt der Mann, aber weg müsse es trotzdem! Es sei nicht mehr gut. Was für ihn Wegnehmen heisse, frage ich. Ob ihm klar sei, dass es entsorgt werde, obwohl es durchaus noch geniessbar sei. Der Mann entfernt sich, kommt kurze Zeit später mit einer Packung Muscheln zurück und mit der gleichen Leier. Ich nehme ihm die Packung weg und packe sie wieder in den Kühler.

Irrsinn

Ich schmeiss sicherlich nichts einfach so weg! Bei uns werden die Abfälle zu Biogas verarbeitet, eine erneuerbare und klimaneutrale Energie, die als Treibstoff wie auch als Wärmeenergie genutzt wird. Ein kleiner Teil an Gemüse und Früchten wird gespendet. Ich habe in meinen 20 Jahren im Verkauf schon eine Menge Abfall gesehen. Viel, viel Biogas. Trotzdem: Wenn mir ein Joghurt runterfällt, nervt es mich extrem. Ich versuche, achtsamer mit den Lebensmitteln umzugehen. Die Hilfsorganisation Schweizer Tafel hält fest: In der Schweiz verursachen wir 2,8 Millionen Tonnen Foodwaste pro Jahr. Davon produziert der Gross- und Detailhandel 270 000 Tonnen. Zwei Drittel davon wären zum Zeitpunkt der Entsorgung noch geniessbar. Der jährliche Verlust beträgt damit 330 Kilogramm pro Person. Irrsinnig, oder?

Sauer

Ich nahm die Konversation mit diesem Kunden gedanklich nach Hause und war sauer: Die Milch wäre super für ein Müesli oder einen Griessbrei. Such dir was aus! Alle, die schon mal in der Situation waren, nicht zu wissen, was Ende Monat auf den Tisch kommt, würden doch nicht verlangen, dass eine einwandfreie Milch weggeworfen wird? Oder liege ich falsch? Einige leben eben privilegierter als andere. Alles wird teurer, und viele müssen jeden Rappen umdrehen. Mehr als jede sechste Person in der Schweiz ist von Armut bedroht. Aber wir schmeissen Tausende Tonnen Lebensmittel weg. Exgüsi, ich korrigiere: Es wird zu Biogas, us de Region.

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