Ratgeber
Unterziehen Sie Ihre Kasse dem Fairness-Check

Noch bis Ende November können Sie die ­Grundversicherung Ihrer Krankenkasse ­wechseln. Doch wann ergibt ein Wechsel Sinn, und wie lassen sich sonst noch Prämien ­sparen? Sarah Lengyel, Leiterin Gesundheit bei der ­Stiftung für Konsumentenschutz, gibt Auskunft.

FÜR DEN FALL DER FÄLLE: Wer medizinische Hilfe braucht, ist froh um die richtige Krankenkassenwahl. (Foto: Keystone)

work: Gibt es einen guten und einen schlechten Zeitpunkt im Jahr, um die Grund­versicherung zu wechseln?
Sarah Lengyel: Die Krankenkassenprämien für das nächste Jahr ­werden in der zweiten Septemberhälfte bekanntgegeben. Die Grundversicherung kann nur einmal pro Jahr – auf den 1. Januar – gewechselt werden. Ausser bei einer Franchise von 300 Franken im sogenannten Standardmodell: Dann kann die Grundversicherung auch auf Ende Juni gewechselt werden. Grundsätzlich ergibt es aber Sinn, zu warten, bis die Prämien bekannt sind. Wichtig: Die Kündigung muss der bisherigen Krankenkasse spätestens am letzten ­Arbeitstag im November vorliegen. Der Poststempel zählt nicht. Dieses Jahr ist es der 29. November. Wir empfehlen, das Aufnahmegesuch und die Kündigung gleichzeitig vorzunehmen oder aber das Aufnahmegesuch bei der neuen Krankenkasse bis spätestens Mitte Dezember zu deponieren.

In der Grundversicherung gibt es einen Leistungs­katalog, der für alle gleich ist. Zudem haben die Krankenkassen für die Grundversicherung eine gesetzlich vorgeschriebene Aufnahmepflicht, sie dürfen also niemanden ablehnen. Worin unterscheiden sich die Kassen überhaupt?
Ein wichtiger Punkt sind die Kostengutsprachen zum Beispiel von Medikamenten oder Therapien. Bei diesen Gutsprachen haben die Krankenkassen einen gewissen ­Ermessensspielraum. Eine neue Krankenkasse ist nicht an die Beurteilung der alten Krankenkasse gebunden. Sie prüft die sogenannte Leistungspflicht neu und kommt dann vielleicht zum Ergebnis, dass sie die aktuelle Behandlung nicht für angebracht hält.

Wie kann man einer bösen Überraschung vorbeugen?
Beantragen Sie bei der neuen Krankenkasse erneut eine Kostengutsprache. Kündigen Sie die alte Grundver­sicherung erst dann, wenn Sie einen positiven Bescheid bezüglich der Gutsprache erhalten haben.

Wie finde ich denn heraus, ob ich wechseln sollte?
Die Grundleistungen sind bei den Krankenkassen zwar gleich, der Service, die Prämien und die Versicherungsmodelle sind jedoch unterschiedlich. Wenn ich zum Beispiel mit dem Kundendienst nicht zufrieden bin, wäre das ein Grund, sich nach einer neuen Krankenkasse umzusehen. Zudem können auch Erfahrungen aus dem Umfeld hilfreich sein. Beim Vergleichen der Prämien empfehlen wir, einen unkommerziellen Prämienrechner zu benutzen (siehe worktipp).

Wie finde ich das für mich beste Versicherungsmodell?
Das kommt auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse an. Man unterscheidet zwischen Standard- und Alternativmodell. Das Standardmodell ist am teuersten, dafür hat man die freie Arztwahl. Bei den Alternativmodellen – also Telmed, Hausarztmodell und HMO – lassen sich Prämien sparen. Aber es gibt gewisse Einschränkungen. Bei Telmed zum Beispiel sind Sie verpflichtet, zuerst bei einer Hotline anzurufen, bevor Sie einen Arzttermin vereinbaren. Wer sich nicht an die Regeln hält und zum Beispiel direkt zu einer Spezialistin geht, muss mit Sanktionen rechnen.

Empfehlen Sie die Alternativmodelle grundsätzlich?
Man kann die Prämien damit schon deutlich senken. Wenn der eigene Hausarzt auf der Liste der Krankenkasse für das Hausarzt­modell zugelassenen Praxen ist, spricht eigentlich nichts gegen dieses Modell. Doch Achtung: Einige Krankenkassen sind strenger in Bezug auf Verstösse als andere. Wer zum Beispiel im Telmed-Modell versichert ist und vergisst, vor einer Behandlung die Hotline anzurufen, muss bei manchen Kassen die Leistung selber berappen oder wird ohne Vorwarnung in das teurere Standardmodell umgeteilt. Assura, Concordia, Helsana, KPT und Swica sehen in ihren Bedingungen solche strengen Massnahmen vor. CSS, Groupe Mutel, Sanitas und Visana setzen auf fairere allgemeine Vertragsbedingungen.

Gibt es Krankenkassen, von denen Sie abraten?
Nein, das tun wir nicht. Aber es gibt Kassen mit faireren und Kassen mit weniger fairen Versicherungsbedingungen. Das betrifft vor allem die bereits erwähnten Sanktionen. Wer sich unsicher ist, kann in unserem Tool «Krankenkassen-Fairness-Check» die Bedingungen nachlesen . Sie können dort die Krankenkasse und das entsprechende Modell wählen, und dann werden die heiklen Passagen automatisch gezeigt.

Um die Zusatzversicherung zu wechseln, ist es schon zu spät. Diese muss bei den meisten Kassen bis Ende September gekündigt werden. Warum?
Das ist ziemlich mühsam. Einerseits kommen die verschiedenen Fristen zustande, weil Grund- und Zusatzversicherung rechtlich unterschiedlich organisiert sind. Aber der Hauptgrund ist wohl, dass es schwieriger ist, sich zwei verschiedene Kündigungsfristen zu merken, und so die Kündigung erschwert wird. Darauf spekulieren vermutlich die Versicherer.

Im Gegensatz zur Grundver­sicherung muss eine Krankenkasse bei der Zusatzversicherung niemanden aufnehmen. Sollte man also möglichst jung und möglichst gesund sein, wenn man eine Zusatzversicherung abschliessen will?
Es ist schon so: Zusatzversicherungen wollen Leute aufnehmen, die ein kleines Risiko haben, krank zu werden. Deshalb müssen alle, die in eine Zusatzversicherung aufgenommen werden wollen, einen Gesundheitsfragebogen ausfüllen. So ist es für Personen ab 50 Jahren schwierig, eine Zusatzversicherung abzuschliessen, für Menschen mit schlechter Gesundheit ist es fast unmöglich. Deshalb ist es wichtig, dass man die alte Zusatzversicherung erst kündigt, wenn man die Zusage der neuen hat.

work-Tipp: Vorsicht!

Um die Höhe der Prämien zu vergleichen, nutzen viele Vergleichsportale wie Comparis. Doch Vorsicht: Bei vielen kommerziellen Vergleichsplattformen werden in der Standardansicht nur Angebote von Krankenkassen gezeigt, mit denen der Vergleichsdienst zusammenarbeitet und folglich mitverdient, wenn ein Vertrag abgeschlossen wird. Nutzen Sie deshalb unabhängige Portale wie jenes vom Bund oder vom Konsumentenschutz. Diese beiden Rechner sind transparent, vollständig und unabhängig sowie datenschutzfreundlich und werbefrei.


Franchise Welche Franchise ergibt Sinn?

Die Franchise ist ein Betrag zwischen 300 und 2500 Franken, den man pro Jahr für Medikamente und Behandlungen selbst bezahlt. Erst wenn die Kosten die Franchise übersteigen, übernimmt die Krankenkasse. Je höher die Franchise, desto günstiger die Prämie. Um die passende Franchise für sich zu wählen, empfiehlt der Kon­sumentenschutz Folgendes: Sind die eigenen Gesundheitskosten höher als 1900 Franken pro Jahr, sollte die tiefste Franchise gewählt werden. Sind die Kosten tiefer, ist die höchste Franchise die beste Wahl. Es bleibt aber immer abhängig von der konkreten Situation. Berechnen Sie mit dem Franchisenrechner Ihre individuellen ­Grenzen.

Franchise unrealistisch?

Doch was, wenn jemand zwar mit tiefen Gesundheitskosten rechnet, sich aber die möglich anfallenden Kosten nicht leisten kann? Hier empfiehlt Sarah Lengyel: «Die Wahl der höchsten Franchise in der Grundver­sicherung kann die monatlichen Prämien erheblich reduzieren. Es ist jedoch wichtig, sich bewusst zu sein, dass im Falle unerwarteter Gesundheitskosten bis zu 3200 Franken, also Franchise plus Selbstbehalt, selbst zu tragen sind.» Wer die Prä­mien nicht bezahlen kann, sollte den Anspruch auf Prämienverbilligung prüfen. 

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