In Gerlafingen demonstrieren über tausend Leute für den Erhalt des Stahlwerks. Arbeiter, Klima-Aktivistinnen und Politiker aller Parteien verlangen vom Bundesrat endlich Unterstützung für das bedrohte Werk.

«STEH ZU UNSERER INDUSTRIE, PARMELIN!»: Die Demonstrierenden in Gerlafingen fordern die Landesregierung auf, endlich zu handeln. (Foto: Manu Friederich)

Gewerkschaftsfahnen säumen den Weg vom Bahnhof zum Stahlwerk Gerlafingen. In der Mitte des Platzes vor dem Werkseingang ist ein übergrosser gelber Transporter parkiert. Das Gefährt, das normalerweise Schlacke transportiert, dient heute als Bühne der Kundgebung zum Erhalt des Stahlwerks und wichtigsten Schweizer Stahl-Recyclingbetriebs. Mehr als tausend Leute sind hier, viele aus der Region, aber auch solidarische Gewerkschaftsmitglieder aus der ganzen Schweiz und junge Menschen vom Klimastreik Schweiz. Auf einem Transparent steht: «Wir alle sind Stahl Gerlafingen».

Solidarischer Klimastreik 

Von rechtsbürgerlicher Seite werden die hohen Stromkosten für die Krise verantwortlich gemacht. Die Hauptursache für die Verluste der Stahlfirmen in der Schweiz sind jedoch die weltweite Überproduktion und die Importe von Billigstahl. Der Klimastreik Schweiz schreibt in seiner Mitteilung, das Werk sei zentral für die Kreislaufwirtschaft und den ökologischen Umbau, beispielsweise für die Erweiterung von Zugnetzen, für den Bau von Windrädern oder für die Herstellung von Wärmepumpen. Sebastian Killer vom Klimastreik Bern sagt:

Wir zeigen hier erneut, dass der Kampf gegen die Klimakrise auch ein Kampf für soziale Gerechtigkeit ist und dass es ohne Stahlarbeiter keine ökologische Wende geben wird.

Anna Lindermeier vom Klimastreik Zürich fordert gar eine staatliche Kontrolle über die zukünftige Ausrichtung des Betriebs: «Mit einer Vergesellschaftung können wir sowohl sichergehen, dass die Zukunft des Werks gewährleistet ist, als auch gegen die Überproduktion kämpfen.» 

FÜR DEN GRÜNEN STAHL: Auch der Klimastreik Schweiz hat sich an der Demo beteiligt. (Foto: Manu Friederich)

Staatshilfe, bevor es zu spät ist

Fredy Meier ist Mitglied der Betriebskommission des Stahlwerks. Zwei Tage vor der Demo hat er Wirtschaftsminister Guy Parmelin getroffen. Meier steigt auf den Transporter und ruft:

Wir brauchen jetzt Hilfe und nicht erst nächstes Jahr!

Das habe er auch dem Wirtschaftsminister gesagt. Doch dieser will weiterhin keine Verantwortung übernehmen. Er sei durch Gesetze gebunden, habe Parmelin beim Treffen in Bern geantwortet. Das will die Solothurner Ständerätin Franziska Roth (SP) nicht gelten lassen. Sie spricht von der Hilfe für die Banken, aber auch von der Staatshilfe für die Weinbauern im Jahr 2018. Wenn es die Gesetze noch nicht gebe, müssten sie eben endlich geschaffen werden. Auch der ehemalige Gerlafinger Gemeindepräsident Roberto Zanetti, der vor 30 Jahren massgeblich an der Rettung des Werks beteiligt war, ist empört über die Argumente des Bundesrates:

Artikel 102 der Bundesverfassung besagt, dass die Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sichergestellt werden muss.

EMPÖRT ÜBER DEN BUNDESRAT: Der frühere Gerlafinger Gemeindepräsident und Alt-Ständerat Roberto Zanetti. (Foto: Manu Friederich)

Eine Schliessung des Werks mit Staatshilfe zu verhindern sei also nicht nur im Sinne des Parlaments, sondern auch im Sinne der Verfassung.  

Unia übergibt Petition an Beltrame-Gruppe

Auch Unia-Präsidentin Vania Alleva tritt auf die Bühne. Sie übergibt Stahl-Gerlafingen-CEO Alain Creteur die Petition mit über 15’000 Unterschriften. Darin wird die Beltrame-Gruppe als Besitzerin des Stahlwerks aufgefordert, auf die 120 angekündigten Entlassungen zu verzichten. Alleva sagt:

Damit der Bundesrat jetzt handelt, braucht es ein klares Bekenntnis zum Standort und keine einzige weitere Entlassung.

DIE GEWERKSCHAFT BLEIBT KRITISCH: Unia-Präsidentin Vania Alleva (rechts) hat eine klare Botschaft an Stahl-Gerlafingen-CEO Alain Creteur (links). (Foto: Manu Friederich)

Alleva bedankt sich auch bei der Personalkommission und den anderen Gewerkschaften und Verbänden, welche für die breite Unterstützung und Mobilisierung für das Stahlwerk sorgen. 

AUF DER SEITE DER BÜEZERINNEN UND BÜEZER: Vania Alleva an der Demo in Gerlafingen. (Foto: Manu Friederich)

Grundbürgerliche Politiker

In Solothurn kämpfen inzwischen auch alle Parteien und der Regierungsrat für den Erhalt des Stahlwerks. Auch Ständerat Pirmin Bischof (Mitte) ist vor Ort und sagt: «Als grundbürgerlicher Politiker habe ich grösste Mühe mit der Haltung des Bundesrates.» Dass Guy Parmelin das Stahlwerk als nicht systemrelevant bezeichnet und in Zukunft den ganzen Baustahl importieren will, findet er skandalös. Auch Philipp Heri (SP), der Gemeindepräsident von Gerlafingen, ist empört über die Passivität und die Doppelmoral des Bundesrates:

Wir sind hier heute ein Paradebeispiel für die Kreislaufwirtschaft. Das hat aber nichts mit dem Paradeplatz zu tun, denn sonst wären wir schon längstens gerettet worden.

Bei einer kompletten Schliessung des Werks würden neben den 500 direkt betroffenen Mitarbeitenden im Stahlwerk noch weitere 500 Stellen in umliegenden Betrieben verloren gehen. 

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