Kampf um das Stahlwerk Gerlafingen
«Wir sind für Parmelin ein rotes Tuch»

Der grösste Recyclingbetrieb der Schweiz ist wieder in Betrieb. Doch die Zukunft des Stahlwerks in Gerlafingen bleibt höchst ungewiss. Denn Wirtschaftsminister Parmelin verweigert weiterhin jegliche Unterstützung. 

GIGANTISCHE MENGE: Pro Jahr rezykliert das Stahlwerk rund 700’000 Tonnen Schrott.

Geräusche von schweren Maschinen und Metall hallen vom Schrottplatz her über Gerlafingen, und über dem Kamin des Stahlwerks steigt weisser Rauch auf. Nach zwei Wochen Kurzarbeit hat der grösste Recyclingbetrieb der Schweiz seinen Betrieb Ende Oktober wieder aufgenommen. Heinz Grolimund (54), der als Richtmeister im Stahlwerk arbeitet, hat am Abend zuvor Bundesrat Guy Parmelin im «Rundschau»-Interview des Schweizer Fernsehens gesehen: «Unsere Nachricht scheint bei ihm noch nicht angekommen zu sein.» Auch Markus Pfander (50), der als Tagesmeister die Arbeitsschichten koordiniert, ist ernüchtert: 

Die Industrie ist für ihn ein rotes Tuch. Parmelin bleibt auf seiner Meinung hocken und sagt immer das Gleiche.

Was Parmelin in der «Rundschau» sagte: «Die Stahlwerke in der Schweiz sind leider nicht unersetzlich.» Der Bundesrat müsse rational und hart bleiben, denn das Geld wachse nicht von den Bäumen.

Bundesrat blockiert

Doch ist die Haltung des Bundesrates wirklich rational? Nicht nur bei den Stahlarbeitern, sondern auch in der Politik von links bis rechts gibt es grosse Zweifel und Wut über die Blockadehaltung des Bundesrates. Der Solothurner SVP-Nationalrat Christian Imark, der mit einer parlamentarischen Motion Notmassnahmen für Stahl Gerlafingen fordert, bezichtigt seinen Parteikollegen Parmelin gar der Verbreitung von Fake News. Denn Parmelin sagte in der «Rundschau», dass es in einem Umkreis von 150 Kilometern um die Schweiz 20 Stahlwerke gebe, die mit ihrer Produktion den Schweizer Markt sieben- bis achtmal decken könnten. Richtmeister Grolimund ist sehr erstaunt über diese Aussage: «Ich weiss nicht, woher er diese Zahl hat.» Und tatsächlich: Im Register für Beton- und Bewehrungsstähle des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) gibt es in den Grenzregionen der Schweiz nur drei Werke, die Stahlprodukte für den Bau herstellen.

Eine Frage der Souveränität und Ökologie

Tagesmeister Pfander sagt: «Während der Coronapandemie haben wir gemerkt, dass es nicht gut ist, von Fabriken im Ausland abhängig zu sein.» Die Schweizer Bauindustrie brauche inzwischen 1,1Millionen Tonnen Stahl pro Jahr, wovon Gerlafingen mehr als 40Prozent liefere. Grolimund sagt: «Die zweite Gotthardröhre muss nach den neuen Beschaffungsvorschriften des Bundes mit grünem Stahl gebaut werden.» Und fragt: «190 Lastwagen mit Schrott, die täglich ins Ausland fahren müssen und mit Stahl in die Schweiz zurückfahren, ist das dann ökologisch?» 

Persönliches Treffen mit Parmelin

Als Mitglieder der Betriebskommission werden Grolimund und Pfander vor der Grossdemo vom 9. November in Gerlafingen nochmals nach Bern reisen. Mit einer Delegation unter der Leitung von SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard werden sie Bundesrat Parmelin diesen Donnerstag persönlich treffen. Sie werden ihm nicht nur die Petition zum Erhalt des Stahlwerks übergeben, sondern mit ihm auch nochmals über Härte, Rationalität und Industriepolitik im Jahr 2024 diskutieren. Und ihn auch nach den Standorten der neuen Schweizer Offshore-Stahlwerke fragen. 

Kundgebung: Stahl Gerlafingen muss bleiben!

Samstag, 9. November 2024
11.00 – 12.30 Uhr
vor dem 
Stahlwerk in Gerlafingen
(Treffpunkt: Bahnhof Gerlafingen)

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