Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Jede zweite Person im Job belästigt

Fast 60 Prozent der Frauen haben  in ihrem Berufsleben sexuelle Belästigung erlebt. Die Täter: männliche Kollegen oder Vorgesetzte. 

ÜBER 1,5 MILLIONEN BETROFFENE: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist ein Massenphänomen. (Foto: Shutterstock)

Ein Drittel der Arbeitnehmenden wurden am Arbeitsplatz schon einmal sexuell belästigt.
Das zeigt eine aktuelle Studie des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO). Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist in der Schweiz trotz Präventionsmassnahmen nach wie vor ein weit verbreitetes Problem. Befragt wurden sowohl Arbeitnehmende als auch Arbeitgebende. Die Antworten sind alarmierend.

Zur Studie

In der Untersuchung wurden zwölf Verhaltensweisen abgefragt, die von beleidigenden Bemerkungen und Witzen bis hin zu sexuellen Übergriffen reichen. Da die Wahrnehmung sexueller Belästigung stark subjektiv ist, haben die Studien-Autorinnen und Autoren zwischen zwei Aspekten unterschieden: Zum einen, ob sich die Arbeitnehmenden in ihrem bisherigen Erwerbsleben sexuell belästigt gefühlt haben. Das gilt m Sinne des Gleichstellungsgesetzes als sexuelle Belästigung. Zum anderen, ob die Arbeitnehmenden bestimmte sexistische und sexuelle Verhaltensweisen erlebt haben, die aus rechtlicher Sicht als sexuelle Belästigung eingestuft werden könnten, von den Betroffenen jedoch nicht so so wahrgenommen wurden. Es haben über 2000 Personen an der Studie teilgenommen.

Frauen sind mit 44 Prozent deutlich stärker betroffen als Männer mit 17 Prozent. Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Befragten hat zudem im Laufe ihres Berufslebens mindestens eine der abgefragten sexistischen oder sexuellen Verhaltensweisen erlebt. Auch hier sind Frauen (59 Prozent) deutlich häufiger betroffen als Männer (46 Prozent).

Besonders auffällig: Jüngere Arbeitnehmende haben in den letzten zwölf Monaten mehr Vorfälle sexueller Belästigung erlebt und haben sich häufiger belästigt gefühlt als ältere Kollegen. Dieser Altersunterschied ist bei Frauen besonders stark ausgeprägt. Unter den jungen Frauen im Alter von 16 bis 25 Jahren gab ein Drittel an, innerhalb der letzten zwölf Monate sexuelle Belästigung erfahren zu haben. Besonders betroffen sind auch Beschäftigte in Branchen mit engem Kundenkontakt wie dem Gastgewerbe, der Banken- oder Gesundheitsbranche. Auch die Gewerkschaft Unia bestätigt diese Zahlen und schreibt in ihrer Medienmitteilung:

Diese alarmierenden Zahlen decken sich mit den Berichten, die die Unia täglich erhält. Die Unia-Umfragen in Bauberufen, im Gastgewerbe und unter Lernenden bestätigen diese Zahlen. Sexualisierte Gewalt betrifft alle Arbeitsplätze – besonders aber Branchen mit häufigem Kundenkontakt, wie im Gastgewerbe, im Detailhandel oder im Gesundheitswesen sowie in Branchen mit grosser Männermehrheit.

Wer belästigt

Die Studie zeigt, dass es in den meisten Fällen männliche Arbeitskollegen auf derselben Hierarchiestufe sind, die die Belästigung ausüben. Bei den betroffenen Frauen kam die Belästigung zudem häufig von Vorgesetzten.

Mangelnde Prävention

Das Gleichstellungsgesetz und das Arbeitsgesetz verpflichtet Arbeitgebende, Massnahmen zur Prävention von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu ergreifen. In jedem fünften Betrieb gibt es trotz dieser gesetzlichen Verpflichtung keine Präventions- und Interventionsmassnahmen. Die Mehrheit der Arbeitgebenden gibt zwar an, dass ihre Unternehmen sexuelle Belästigung ernst nehmen, doch die Studie zeigt sowohl bei Arbeitgebenden als auch bei Arbeitnehmenden erhebliche Lücken, was die Kenntnisse zu den rechtlichen Rahmenbedingungen angeht.

Das fordern die Gewerkschaften

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) macht klar: Arbeitgeber müssen endlich Verantwortung übernehmen und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz konsequent bekämpfen. Das heisst, eine Nulltoleranzpolitik ist ein Muss. Betriebe brauchen klare Regeln und müssen diese auch durchsetzen. Regelmässige Schulungen sind unerlässlich – nur so wissen Mitarbeitende und Vorgesetzte, wie sie Belästigung erkennen, dagegen vorgehen und ein respektvolles Arbeitsklima fördern können. In einer Medienmitteilung schreibt der SGB: 

Mitarbeitende müssen wissen, dass sie Beschwerden ohne Angst vor Konsequenzen melden können. Dabei kann es helfen, sich an eine Gewerkschaft zu wenden. Denn auch im Einsatz gegen sexuelle Belästigungen lässt sich häufig gemeinsam mehr bewegen.

Der SGB fordert zudem, dass die Gesetze verschärft werden: Unternehmen sollen beweisen, dass sie ihre Sorgfaltspflicht ernst nehmen. Wer nichts unternimmt, muss mit härteren Strafen rechnen. Die Botschaft ist klar: Wegschauen ist keine Option mehr!

Die Forderungen der Unia:

Stärkung des Gesetzes: Wie bei Lohnungleichheit muss die Beweislasterleichterung im Gleichstellungsgesetz (GlG) auch bei sexueller Belästigung greifen.

Klare Regeln, Sanktionen und Prozesse gegen sexuelle Belästigung in den Betrieben.

Neutrale Anlaufstellen: Jede Firma braucht unabhängige externe Anlaufstellen für Betroffene.

Schulungen und Kontrollen: Regelmässige Sensibilisierung aller Arbeitnehmenden und Führungskräfte, sowie Kontrollen durch Arbeitsinspektorate.

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