Laura mal laut
Laura und der Sonntag

Laura Gonzalez Martinez ist Verkäuferin in Zürich und Gewerkschafterin.

Jetzt ist es endlich auch bei uns so weit! Wir sind am Sonntag geöffnet! Pre­miere! Die Freude ist riesig, und dieser Entscheid bringt unseren Arbeitsrhythmus wieder ins Lot! Als kleiner Quartierladen werden wir bestimmt den Umsatz des Jahres machen! Darauf haben wir das ganze Jahr gewartet! Okay, genug Sarkasmus.

Stressmonat

Nein, niemand freut sich. Und einen grossen Umsatz erwarten wir auch nicht. Aber am Sonntag wird der Laden geputzt, ein Putztag ist angesagt. Ich muss dieses Mal nicht antraben, aber meine Gspänli, die an diesem Tag arbeiten müssen, sind wenig begeistert. Verständlich. Da hilft das Sonntagszulage-Trösterli wenig. Viele haben sonst schon keinen fixen freien Tag, und die abwechselnden Schichten machen es fast unmöglich, irgendwelchen Hobbys nachzugehen. Und jetzt fällt auch noch der Sonntag weg. Ja, es mag jetzt nur ein Sonntag sein. Aber was wird nächstes Jahr und dann übernächstes Jahr? Nein, nein, nein. Das wollen wir nicht. Wir wollen nicht, dass der Dezember in Zukunft zum Stressmonat des Jahres wird. Stress haben wir das ganze Jahr mehr als genug, nicht wahr?

Wahnsinn

Zufälle gibt’s: In dem Moment, in dem ich über die Sonntage sinniere, rennt mein Kind in die Stube und will unbedingt am Sonntag Kleider kaufen gehen. So fängt’s an. Mein Kind hat das irgendwo aufgeschnappt und will jetzt auch dabei sein. Dabeisein ist cool. Das lassen wir mal schön bleiben. Mich am Sonntag mit vollen Einkaufstaschen durch die Stadt zu kämpfen ist weder erholsam für mich noch für mein Portemonnaie. Und den Sonntags-Shopping-Wahn möchte ich sicher nicht unterstützen. Die gemeinsame Zeit mit meinem Kind können wir anders gestalten, sinnvoll und stressfrei. Ich hoffe, unsere Anwohner in unserem Quartier sitzen jetzt auch in ihren Stuben und sinnieren über die Sonntage. Und über uns, die Verkäuferinnen. Denn wenn die Nachfrage ausbleibt, ändert sich vielleicht etwas. Nicht nur wir als Arbeiterinnen können etwas ändern, sondern auch wir als Konsumentinnen. Meinem Kind sage ich: «Hey, muesch nöd immer bi allem debi si, das isch nämli no cooler!»

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