Neues Buch über Gewalt an Frauen: Niemals aus Liebe
Warum Männer zu Tätern werden

Warum werden Männer zu Tätern? Dieser Frage gehen Miriam Suter und Natalia Widla in ihrem neuen Buch nach. Niemals aus Liebe ist unbequem und schmerzhaft, doch es bietet Lösungen.

Das Lied «Alles aus Liebe» von den Toten Hosen war bei Konzerten der Moment, in dem das Publikum voller Inbrunst mitsang. Doch die letzte Strophe, in der es heisst: «Komm, ich zeig dir, wie gross meine Liebe ist, und bringe uns beide um», hat eine beklemmende Botschaft. An einer  Lesung in Bern des kürzlich erschienen Buches «Niemals aus Liebe» sagt Co-Autorin Natalia Widla, sie habe erst beim Schreiben ihres Buches realisiert, wie tief dieses Lied die Verharmlosung von Eifersucht und Frauenhass in der Popkultur widerspiegelt. Gewalt wird dabei romantisiert – eine gefährliche Verzerrung.

In ihrem neuen Buch machen Miriam Suter und Natalia Widla deutlich: Gewalt geschieht niemals aus Liebe. Dieser Grundsatz zieht sich durch das gesamte Werk, das den Fokus bewusst auf die Täter legt. Anstatt sich auf die zu konzentrieren, vollziehen die Autorinnen einen entscheidenden Perspektivwechsel: Sie beginnen mit dem Fakt, wie viele Männer in der Zeit, in der ihr Buch entstand, zu Täter wurden. Weil es wichtig ist, die Ursachen und Muster auf der Täter zu untersuchen, um Gewalt zu verstehen und zu bekämpfen. 

Es gibt nicht den einen Täter 

In der Schweiz wird alle zwei Wochen eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet, und jede Woche überlebt eine weitere einen Mordversuch. Um die Mechanismen hinter dieser Gewalt zu verstehen, besuchten Suter und Widla Gerichtsverhandlungen, sprachen mit Tätern und führten Interviews mit Expertinnen aus Justiz, Psychologie und Soziologie. Dabei rekonstruierten sie, wie Machtansprüche und patriarchale Strukturen Gewalt fördern und legitimieren.

Ihr Befund ist eindeutig: Es gibt nicht «den einen Täter». Die Männer, die solche Taten begehen, sind keine aussergewöhnlichen «Monster», wie es in den Medien oft dargestellt wird. Stattdessen handelt es sich um Männer aus der Mitte der Gesellschaft – geformt durch patriarchale Werte, toxische Geschlechterrollen und eine Kultur, die Gewalt durch Wegschauen oder Nachsicht ermöglicht.

DAS ZWEITE BUCH: Nach der Veröffentlichung ihres Buches «Hast du Nein gesagt?» richteten die beiden Autorinnen ihren Fokus auf die Täter. (Foto: Ayse Yavas)

Prävention: Die Schweiz bleibt stehen

Niemals aus Liebe zeigt auf, dass der Schutz von Frauen oft lückenhaft ist. Frauenhäuser sind überfüllt, restriktive Massnahmen kommen zu spät, und die Verantwortung wird häufig den Betroffenen zugeschoben. Täterarbeit, so Suter und Widla, sei die beste Gewaltprävention:  

Wir müssen bei den Tätern ansetzen, schliesslich geht die Gewalt von ihnen aus.

Ein weiterer Missstand: Die Ignoranz gegenüber digitaler Gewalt. Sexuelle Belästigung im Netz, KI-generierte Rachepornografie und Überwachung per Stalkerware-App werden kaum reguliert.
Das im Buch erwähnte Interview mit Bundesrat und Justizminister Beat Jans zeigt, dass Politiker oft nicht wissen, welche technischen Mittel Täter heute einsetzen. Es fehlt an Datenerfassung und konsequenter Gesetzgebung.

Ein Forderungskatalog für Wandel

Suter und Widla lassen die Lesenden nicht allein mit der bedrückenden Realität. Ihr Buch endet mit einem umfassenden Forderungskatalog, der von mehr Geld für Frauenhäuser über die Sensibilisierung der Medien bis hin zu einem klaren Nein zu Armeewaffen im Privatbesitz reicht. Doch am wichtigsten ist der letzte Punkt: ein gesellschaftliches Umdenken. Dieses könne nur gelingen, wenn Männer aktiv in die Arbeit gegen Gewalt einbezogen werden. 

Niemals aus Liebe ist ein Buch für alle. Männergewalt ist nicht unvermeidlich, sondern kann bekämpft werden – durch Aufklärung, klare Massnahmen und eine Gesellschaft, die Gewalt nicht länger duldet. Ein mutiges Buch, das zum Handeln aufruft und daran erinnert, dass echter Wandel mit Verantwortung beginnt.

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