Kolumne EUropa
Das grosse Ganze: Gerechtes, kein rechtes Europa

Regula Rytz, Delegierte bei den European Greens, ehem. Nationalrätin und Präsidentin der Grünen, Mitglied der Arbeitsgruppe Europa des gewerkschaftsnahen «Denknetzes». (Montage: work)

Europa startet mit Sturmböen ins neue Jahr. In Österreich ist die rechtsradikale FPÖ auf dem Weg in die Regierung und ­fördert ein Klima der politischen Gewalt. Auch in Deutschland, Frankreich, Rumänien oder Grossbritannien sind rechtsex­treme Parteien auf der Lauer. Sie nutzen die Schwächen der etablierten Politik, Tech-Milliardäre unterstützen sie auf ihrem Kreuzzug gegen die Sozial- und Umweltrechte. An ihrer Seite mischt die russische Propaganda kräftig mit. Sie befeuert gemeinsam mit den Trumpisten die Destabilisierung der europäischen Demokratien.

Sackmesser

Auch in der Schweiz werden 2025 die europapolitischen Sackmesser gewetzt. Kurz vor Weihnachten hat der Bundesrat über den Verhandlungsabschluss zu den Bilateralen III informiert. Vieles bleibt unklar, denn das Kleingedruckte wird erst im Frühling publiziert. Zudem fehlen die versprochenen Antworten des Bundesrates auf die Abschwächung der Arbeitsmarktkontrollen. Für die Gewerkschaften sind deutliche Nachbesserungen nötig, denn die Löhne sind europaweit unter Druck. Auch das Gewerbe kritisiert, dass für entsandte Arbeitnehmende neu tiefere Spesen verrechnet werden sollen als für inländische. Eine Einigung der Sozialpartner beim Lohnschutz müsste also möglich und politisch mehrheitsfähig sein.

Hellebarden

Auf Totalopposition setzt ­dagegen die SVP. Mit Museumshellebarden kämpft sie gegen den «Unterwerfungsvertrag». Gleich vier Volksinitiativen aus der rechtsnationalen Küche wollen die Beziehungen zu den Nachbarländern kappen. Denn die Schweiz sei den EU-Ländern in allen Belangen überlegen, sagt das Blocher-Zentralkomitee. Tatsächlich war die Schweiz im 19. Jahrhundert eine Pionierin des Fortschritts. In Glarus wurde das erste Fabrik­gesetz der Welt erlassen, auf Bundesebene der Schutz des Waldes in die Verfassung geschrieben. Seither hat uns die EU in vielen Fragen abgehängt. Klimaschutz? Die Schweiz hinkt hinterher. Erneuerbare Energien? Die Schweiz dümpelt auf den letzten Plätzen. ­Datenschutz? Die EU gibt den Takt vor. Elternzeit? Die Schweiz fährt im Besenwagen. Menschenrechte? Die Abschaffung des unwürdigen Saisonnierstatuts hätte ohne europäischen Druck kaum Mehrheiten gefunden.

Überheblichkeit und Reduit-Denken sind in der Europapolitik fehl am Platz. In allen europäischen Ländern kämpfen Menschen gegen rechtsnationale und libertäre Geldeliten. In eisiger Kälte gehen sie gegen russische Wahlmanipulation auf die Strasse. Grenzüberschreitend sind Gewerkschaften für gerechte Löhne und existenzsichernde Renten unterwegs und ringen mit vernünftigen Unternehmen für den European Green Deal, den Weg in eine klimaneutrale Wirtschaft also. Auch wenn es in der Schweiz in den nächsten Monaten oft um das Klein­gedruckte gehen wird: Wir dürfen das grosse Ganze in der Europapolitik nie aus den Augen verlieren. Nur ein gerechtes ­Europa ist ein Bollwerk gegen rechts.

Regula Rytz schreibt im Turnus mit Roland Erne, was die europäische Politik bewegt.

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