Diktator Lukaschenko: Über 30 Jahre an der Macht
«Das ist keine Wahl, sondern eine Tragikomödie»

Alexander Lukaschenko (70) wurde zum siebten Mal in Folge als Präsident von Belarus bestätigt – ohne glaubwürdige Gegenkandidatur. Doch seine Gegnerinnen und Gegner, die auch in der Schweiz aktiv sind, geben nicht auf. 

EIN DIKTATOR: Alexander Lukaschenko lässt keine echten Wahlen zu. (Foto: Keystone)

Alex Vashkevich (40) stammt aus der belarussischen Hauptstadt Minsk. 2009 zog er in die Schweiz. Er lebt in Zürich und arbeitet als Experte für Logistik in Lugano. Vashkevich leitet die Organisation Razam.ch («Gemeinsam»), die in der Schweiz Gegnerinnen und Gegner des Regimes vereint.

Vashkevich sagt:

Unsere Organisation entstand im Jahr 2020 nach den Protesten gegen Wahlfälschungen. Damals konzentrierten wir uns auf die Anklage dieser Vergehen, setzten uns für die Freilassung von politischen Gefangenen ein und unterstützten Geflüchtete. Heute liegt unser Fokus mehr auf kulturellen Aktivitäten, um unsere Community zu stärken.

GEMEINSCHAFT IM EXIL: Alex Vashkevich gibt den vertriebenen Belarussinnen und Belarussen in der Schweiz ein Stückchen Heimat. (Foto: zvg)

Vashkevich schreibt auch Gedichte. In einem seiner Werke vergleicht er Josef Stalin mit Alexander Lukaschenko. Auch Musik ist für ihn wichtig: «Wir haben Konzerte von belarussischen Bands im Exil organisiert. Es sind grossartige Künstlerinnen und Künstler, von denen die meisten nach Polen flüchten mussten und dort mit schlecht bezahlten Jobs überleben. Für uns ist es wichtig, diese Bands zu unterstützen, damit sie auch weiter Musik machen können.»

Unterdrückte Sprache

Die belarussische Sprache spielt hierbei eine besondere Rolle, wie Andrey S., ein weiteres Mitglied von Razam, erklärt:

Der russische Einfluss auf unser Land ist erdrückend. Das Sprechen von Belarussisch wird vom Staat als Kritik am Regime gewertet. Es gibt keine Universitäten, an denen auf Belarussisch unterrichtet wird, und auch in den Schulen dominiert Russisch.

Für Andrey S. und viele andere Regimegegner ist das Sprechen von Belarussisch ein symbolischer Akt des Widerstands und ein Mittel, um eine unabhängige nationale Identität fern von Moskau zu bewahren.

Rechtlos als Nicht-EU-Bürger

Seit den grossen Protesten von 2020 ist die Repression immer schlimmer und gefährlicher geworden. Auch im Ausland sind Kritikerinnen und Kritiker nicht sicher. Andrey S. sagt:

Seit 2023 können wir unsere belarussischen Pässe nicht mehr in den Botschaften erneuern. Ohne gültige Dokumente kann ich meine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz nicht verlängern. Eine Rückkehr nach Belarus ist für Regimegegner äusserst gefährlich, also muss ich mich zurückhalten.

Andrey arbeitet als Forscher an der ETH Zürich und ist besorgt, weil sein Vertrag aufgrund der ETH-Vorschriften nicht mehr als sechs Jahre verlängert werden kann. Er sagt: «Das Schweizer Ausländerrecht ist für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger sehr restriktiv, was die Situation für mich noch komplizierter macht. Ich habe keine Rechte mehr in meiner Heimat, aber hier fühle ich mich ebenfalls rechtlos.» Aus Angst vor den Ausschaffungen wandte sich die Organisation Razam an das Staatssekretariat für Migration (SEM). Vashekvich sagt: «Letztes Jahr baten wir die Behörden, die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung auch mit abgelaufenen belarussischen Pässen zu erlauben, damit Betroffene nicht zurückkehren müssen.» Das SEM antwortete mit dem Hinweis, solche Anträge «im Einzelfall» zu prüfen.

Beteiligung am russischen Angriffskrieg

Zu den Präsidentschaftswahlen in Belarus sagt Vashkevich: «Das kann man keine Wahl nennen. Es ist eine Komödie, besser gesagt, eine Tragikomödie – eine armselige Inszenierung.» Die Kandidaten der sogenannten Opposition seien alles Verbündete des Regimes. Er sagt:

Die Proteste vor fünf Jahren haben die Kluft zwischen Regime und Gesellschaft offengelegt. Doch die darauffolgende Repression hat den gewünschten Effekt erzielt: Der Spielraum für Opposition ist noch enger geworden, und in der Diaspora herrschen Wut und Frustration.

Auch Lukaschenko-Anhängerinnen und -Anhänger seien aber zunehmend unzufrieden. Andrey S. sagt: «Immer mehr Menschen lehnen das Regime ab, auch wegen der Beteiligung von Belarus am katastrophalen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.»

Die Geschichte von Belarus

Mit der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 erlangte die ehemalige Sowjetrepublik Belarus ihre Unabhängigkeit. Seit 1994 wird das Land mit etwa 9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern von Alexander Lukaschenko autoritär regiert. Nach der manipulierten Präsidentschaftswahl im Sommer 2020 ging das Regime mit grosser Repression gegen die Zivilgesellschaft und unabhängige Medien vor. Zehntausende Belarussinnen und Belarussen wurden verhaftet.  Lukaschenko liess auch alle unabhängigen Gewerkschaften zerschlagen, weil diese sich gegen die Beteiligung am russischen Krieg gegen die Ukraine ausgesprochen hatten. Gemäss dem «Globalen Rechtsindex» des Internationalen Gewerkschaftsbundes ist Belarus heute eines der schlimmsten Länder für Werktätige.

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