Laura mal laut
Laura und das Donnerwetter

Laura Gonzalez Martinez ist Verkäuferin in Zürich und Gewerkschafterin.

Kürzlich hatten wir im Laden wieder eine Diskussion über das krankheits­bedingte Fehlen. Sobald sich jemand krankmeldet, spüren das die anderen Mitarbeiterinnen sofort. Kurzfristig Ersatz zu organisieren ist schwierig, im Winter sowieso. Alle Filialen kämpfen während der Grippesaison mit Personalmangel. Oft schwebt auch die Frage im Raum: Ist die Person wirklich krank oder fehlt ihr vor allem die Motivation? Oft höre ich den Satz: Früher konnten wir uns das nicht erlauben, so oft zu fehlen. Da gab es ein Riesendonnerwetter. Ich bin auch eine dieser Stimmen – oder war es zumindest.

Druckmacherei

Ich kenne es auch nicht anders. Früher gab’s ein Donnerwetter wegen jedes Seichs. Da hallte ein lautes und wütendes Frauuu Goooonzaaaaleeeeez durch den gesamten Verkaufsbereich, wenn nur ein Körbchen an der falschen Stelle stand. Da meldete ich mich nie krank, auch wenn ich Fieber hatte. Das getraute ich mich gar nicht. Ich war da und stellte das Körbchen an den rich­tigen Platz. Immer. Jetzt kommt noch dazu: Melden wir uns drei- oder viermal pro Jahr krank, folgt ein Gespräch mit der Geschäftsleitung oder sogar mit dem HR. Offiziell sollen im Gespräch die Gründe für das Fehlen besprochen werden und was das Unternehmen verbessern kann, um das Fehlen zu verhindern. Das Gespräch wird protokolliert. In Wirklichkeit sind diese Gespräche pure Druckmacherei. Selten gab es bei uns nach diesen Gesprächen positive Veränderungen. Und um das krankgemeldete Personal zu ersetzen, bräuchte es mehr Mitarbeiterinnen. Das kostet. Das Formular und die lästigen Fragen aber nicht.

Krank ist krank

Heute schwebt für mich keine Frage mehr im Raum, ich habe meine Meinung geändert. Ist jemand krank, sage ich jeweils nur, das ­Arbeitsgspönli werde schon Gründe ­haben, und früher war nicht alles besser. Die Arbeitsbedingungen, mit denen ich in die Arbeitswelt eingestiegen bin, will ich nicht wiederhaben. Die fehlende Motivation hat auch eine Ursache. Wir sollten uns untereinander mehr schützen, finde ich. Druck haben wir schon genug. Wir sollten uns nicht gegenseitig beschuldigen, sondern das System, das uns krank macht, hinterfragen und ändern. Für mich steht mittlerweile fest: Wenn ich krank bin, bin ich krank. Punkt. Und meinen Namen möchte ich nie wieder auf diese Weise in den Ohren hallen hören. Nicht so wie früher.

Illu: Laura Gonzalez Martinez

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