Solothurn und Baselland: Abstimmungen über kantonale Mindestlöhne
Mindestlöhne auch am Hauenstein?

Der Hauenstein trennt die Kantone Basel-Landschaft und Solothurn. Diesseits und jenseits des Passes soll jetzt ein 100-Prozent-Job zum Leben reichen. Am 9. Februar kommen Mindestlohninitiativen vors Volk. Die Dumpinglohn-Koalitionen aus SVP, FDP, Mitte und GLP operieren wie gewohnt mit längst widerlegten Angstmacher-Argumenten. Doch Gewerbler von der Basis geben Gegensteuer.

22 FRANKEN PRO STUNDE: Der geforderte Mindestlohn fürs Baselbiet. (Foto: zvg)

Die Argumente für einen Mindestlohn sind einfach und klar: Wer 100 Prozent arbeitet, soll von seinem Lohn leben können. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch noch immer bekommen Hunderttausende Arbeitnehmende in der Schweiz weniger als 4000 Franken Monatslohn für einen 100-Prozent-Job ausgezahlt.

Arbeitgeber-Ideologen wollen keine Mindestlöhne. Nicht in Gesamtarbeitsverträgen, nicht in der Bundesverfassung, nicht in Kantonsverfassungen, nicht in Städten. Geht es um nationale Mindestlöhne, sehen sie den Föderalismus verletzt. Geht’s um kantonale Mindestlöhne, sehen sie die Kantone gegenüber Nachbarkantonen benachteiligt.

Alte Behauptungen

Und genau mit diesen Nicht-Argumenten bekämpfen sie jetzt auch in den Kantonen Basel-Landschaft und Solothurn die kantonalen Mindestlöhne. In beiden Kantonen kann das Volk am 9. Februar darüber abstimmen, ob auch in ihren Kantonen ein 100-Prozent-Job zum Leben reichen soll. Hinter den Initiativen stehen die Gewerkschaften und die fortschrittlichen Parteien.

EIN LOHN ZUM LEBEN: Auch die Solothurnerinnen und Solothurner haben die Wahl. (Foto: zvg)

Arbeitgeberverbände und die Parteien von ganz bis halb rechts treten mit viel Geld dagegen an. Und mit längst widerlegten Argumenten. Die lauten: Der kantonale Mindestlohn sei ein «Jobkiller». Arbeitsplätze für wenig qualifiziertes Personal würden in umliegende Kantone ohne Mindestlohn oder ins Ausland abwandern.

Klare Studien…

Für den Mindestlohn in Genf konnten gleich zwei Studien im Auftrag des Kantons keinen wesentlichen Einfluss auf die Arbeitslosigkeit nachweisen. Selbst bei jungen Beschäftigten ohne Lehre finden sich keine besorgniserregenden ­Auswirkungen. Auch der Tessiner ­Mindestlohn kann nicht mit höherer Arbeitslosigkeit in Verbindung gebracht werden. Er erhöhte aber die tiefsten Löhne merklich, wie eine neue Untersuchung der Universität der italienischen Schweiz zeigt. Ein plausibler Erklärungsansatz:

Arbeitgeber zahlen besonders im Tieflohnbereich weniger Lohn, als sie sich eigentlich leisten könnten. Denn hier haben die Lohnabhängigen nur wenige Job-Alternativen.

…und ein Wunschpapier

Die Studien sind also klar (zum Beitrag). Das ärgert natürlich die Fans von Dumpinglöhnen. Und so haben sie sich eine passende «Studie» bestellt und bezahlt. Geliefert hat diese Conny Wunsch von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel. Wunschgemäss steht darin: Bei einem Mindestlohn werden Firmen Arbeitsplätze abbauen und die Preise erhöhen. Blöd nur:

Die Umfrage ist nicht im geringsten repräsentativ.

Sie basiert auf Aussagen von Firmen, die sich selber gemeldet haben – nachdem die finanzierenden Firmen den «Studien»-Link über ihre Newsletter verteilt hatten. Und: Ob die Antworten stimmen oder wenigstens plausibel sind, wurde nicht überprüft. Dafür reichte das Geld der Wirtschaftsverbände offenbar nicht.

Ja aus der Gewerbebasis…

Während Verbandsideologen und rechte Politikerinnen gegen Mindestlöhne auf allen Ebenen Sturm laufen, melden sich Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Praxis zu Wort und werben für ein Ja. Im Gastro-, Gewerbe- und Unternehmenskomitee für den kantonalen Solothurner Mindestlohn engagiert sich zum Beispiel der Pasta- und Dörrfrüchteproduzent Dominique Becht. Er ist Miteigentümer der Solomania GmbH in Welschenrohr SO und sagt:

Unternehmerinnen und Unternehmer, die den Mindestlohn nicht zahlen können, haben kein nachhaltiges Geschäftsmodell und profitieren auf Kosten der Ärmsten. Faire Löhne führen zu weniger Sozialhilfekosten für Kanton und Gemeinden.

Auch Bodenleger-Gewerbler Stefan Schaad setzt sich für einen Mindestlohn ein. Er sagt:

Durch gerechte Löhne wird nicht nur die Eigenverantwortung gefördert, sondern auch die lokale Wirtschaft gestärkt, indem die Kaufkraft erhöht und regionales Wachstum gefördert wird.

Hotelier Rolf Trechsel ergänzt:

Unternehmen, die bereits faire Löhne zahlen, erhalten durch einen Mindestlohn gleiche Bedingungen. Dies ermöglicht einen fairen Wettbewerb, in dem die Qualität im Vordergrund steht.

…und aus der FDP

Und auch im Kanton Baselland können es nicht alle bürgerlichen Politikerinnen und Politiker verantworten, sich für Hungerlöhne zu engagieren. Prominentestes Beispiel ist der ehemalige Präsident der kantonalen FDP. Paul Hofer sagte der «Basler Zeitung»:

Unser System verträgt einen Mindestlohn. Die Initiative ist sachlich, überhaupt nicht kommunistisch, links oder Juso, wie teils kolportiert wird.

Weniger sachlich fiel die Reaktion seiner Parteikollegen aus: Der gegenwärtige FDP-Präsident drohte seinem Vorgänger in der «Basellandschaftlichen Zeitung» mit «Konsequenzen».

Wie die Mindestlohninitiativen genau ausgestaltet sind, ist hier nachzulesen:

Zürich und Winterthur vor Bundesgericht, Bern auf gutem Weg

Im Jahr 2023 haben die Zürcherinnen und die Winterthurer mit grossen Mehrheiten Ja gesagt zu Löhnen, die zum Leben reichen. Das passt den rechten Parteien und den Gewerbeverbänden nicht. Sie verzögern die Umsetzung der Volksentscheide mit juristischen Mitteln. Beim Bezirksrat als erster Instanz ohne Erfolg. Doch die rechte Mehrheit einer Verwaltungsgerichtskammer unter dem Vorsitz des FDPlers Reto Häggi unterstützte die von Mitte-Nationalrätin Nicole Barandun angeführte klagende Hungerlohn-Koalition (zum Beitrag). Die Städte Winterthur und Zürich zogen jetzt den Richterentscheid gegen ihre Stimmbevölkerungen weiter ans Bundesgericht.

Auch in der Stadt Bern ist die Initiative für einen städtischen Mindestlohn klar zustande gekommen – obwohl in der Zwischenzeit 1600 Unterschriften auf der Stadtverwaltung verschwunden waren. Unterdessen hat die Stadtregierung (Gemeinderat) die Initiative für gültig erklärt. Nach erneuten juristischen Abklärungen hält die Berner Stadtregierung fest: «Die Initiative ist mit dem übergeordneten Recht vereinbar.» Für den Erlass des Mindestlohnreglements ist der Stadtrat (Parlament) zuständig. Zu einer Volksabstimmung kommt es damit nur, falls der Stadtrat die Vorlage ablehnt, ein Gegenvorschlag erarbeitet wird oder falls das fakultative Referendum ergriffen werden sollte.

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