Vom Tellerwäscher zum Maler

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Bereits vor seinem Amtsantritt liess US-Präsident Donald Trump Musk(eln) spielen. Eine Randnotiz scheint während dieser ungeheuer­lichen Trumpiade das kurzzeitige Abschalten der ­chinesischen Videoplattform Tiktok. Angeblich aus Sicherheitsgründen. Die Logik dahinter ist allerdings verwirrend: Zum Beispiel DJI, der weltgrösste Drohnenhersteller, ebenfalls aus China, kann seine Produkte weiterhin ungehemmt in den USA verbreiten. Doch zurück zu Tiktok: Digitale Gemeinschaften sind nomadisch, ein digitaler Ort wird sie nie für immer halten. So begaben sich die Tiktok-Userinnen und -User schwupps nach China, ausgerechnet zur Plattform Rednote (Rote Notiz). Unter dem Hashtag #tiktokrefugee begrüssten Tausende chinesische Rednote-User die westlichen Neuankömmlinge (zum Artikel). Trump, der Mauerbauer, startete seine zweite Amtszeit mit einer digitalen Brücke nach China.

Grundfesten

Am Tag nach seinem Amts­antritt war Tiktok wieder da, und Trump, der früher noch vor der Plattform gewarnt hatte, konnte sich als Retter aufspielen. Dafür war die App CBP One weg, mit der Migrantinnen und Migranten von ihrem Menschenrecht Gebrauch machen konnten, in einem anderen Land Asyl zu beantragen. Am ersten Tag seiner ersten Amtszeit hatte Trump nur ein einziges Dekret erlassen. Jetzt aber hatte er sich vorbereitet und liess es Dekrete regnen. Darunter auch ein knallhartes Vorgehen gegen Migrantinnen und Migranten aus Lateinamerika. Er kündigte gar die Entsendung von Truppen an die Grenze zu Mexiko an. Für Europa eigentlich nichts Neues, hier steht die Frontex bereit für den Schutz der EU-Aussengrenzen. Aber solche Ankündigungen giessen Öl ins Feuer der auf Fremdenhass getrimmten Parteien, sind Musik in den Ohren all jener, die mit der Ausschaffung aller Ausländer die Abschaffung aller Probleme gleichsetzen. Wie in der Schweiz die SVP. Ihre neuste Initiative bedroht die Schweiz in ihren Grundfesten, denn diese basieren nun mal auf Migration (zum Beitrag).

Heimat

Auf Menschen wie Zenun Hoti. Er war 21 Jahre alt, als er sich ins Auto setzte und von seinem Heimatdorf Ratkoc in Kosovo nach Villmergen fuhr, einem kleinen Dorf im Kanton Aargau. Sein Ziel: Geld verdienen, um seiner Familie und sich ein besseres Leben zu ermög­lichen. Er startete als Tellerwäscher, wurde aber nicht zum Millionär, wie dies der Mythos des American Dream vorträumt. Stattdessen schlug er sich mit Minilöhnen durch, wurde ausgebeutet und ausgestossen, von der Fremdenpolizei schikaniert und befürchtete, ausgewiesen zu werden. Und dann stellte der Balkankrieg sein Leben nochmals auf den Kopf. 36 Jahre nach seiner Ankunft in der Schweiz lebt der Maler mit seiner Familie in Effretikon ZH, den Sprachtest für die Einbürgerung haben er und seine Frau eben bestanden. Sein Zuhause sei dort, wo seine Familie sei, sagt er. Die Hotis gehören zum Stoff, aus dem die Schweiz gemacht ist, ob es der SVP gefällt oder nicht (zum Portrait).

In dieser work-Ausgabe heissen wir Regula Rytz herzlich willkommen. Wir publizieren ihre erste Kolumne zu Europa. Rytz war Nationalrätin und Präsidentin der Grünen und ist heute ­Delegierte bei den European Greens und ­Mitglied der Arbeitsgruppe Europa des ­gewerkschaftsnahen «Denknetzes». Sie wird die Kolumne «EUropa» abwechselnd mit Roland Erne bestreiten (zur neusten work-Ausgabe).

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