Digitaler Austausch der Kulturen
Wie das TikTok-Verbot eine Brücke zu China schlug

US-Präsident Donald Trump wollte TikTok in den USA verbieten. Deshalb suchten Tausende Nutzerinnen und Nutzer nach einer alternativen Plattform – und fanden auf RedNote, was sie so nicht erwartet hatten. 

Die chinesische Social-Media-App Xiaohongshu mit rund 300 Millionen aktiven Nutzern, besser bekannt als RedNote, verzeichnete innerhalb von nur zwei Tagen mehr als 700’000 neue Anmeldungen aus den USA. Dieser Anstieg katapultierte die App an die Spitze der Download-Charts im US-App-Store und sorgt mittlerweile auch in der Schweiz für Aufsehen. Grund für den Anstieg war das drohende Verbot der Social-Media-Plattform TikTok in den USA. TikTok war am Wochenende vorübergehend nicht mehr verfügbar, bis Donald Trump das Verbot wieder aufhob. Dieser ist mittlerweile selbst mit über 15 Millionen Follower sehr erfolgreich. 

Ein «Willkommen» in einer neuen digitalen Welt

Unter dem Hashtag #tiktokrefugee begrüssen Tausende chinesische RedNote-User die westlichen Neuankömmlinge. Der internationale Zulauf zu RedNote hat eine digitale Brücke zwischen chinesischen und westlichen Nutzerinnen und Nutzern geschlagen, bereichert durch einen kulturellen Austausch. Chinesische User teilen Videos, in denen sie Fragen zum Leben in China beantworten, während auch westliche Nutzer ihre Perspektiven und Erlebnisse einbringen. 

Völlig neues China

Für Jeremy Fraga, einen dreifachen Familienvater aus Texas, hat die Entdeckung von RedNote viel bewirkt. Er beschreibt, dass er durch RedNote eine völlig neue Seite Chinas kennengelernt hat. «Es hat meine Perspektive auf China und die Menschen dort verändert», sagt Fraga.

Selbst wenn TikTok jetzt nicht verboten wird, werde ich mich weiterhin auf RedNote austauschen.

Der chinesische RedNote-User Shawn klärt über kulturelle Unterschiede auf. Zum Beispiel warnt er davor, das Lach-Emoji in China zu verwenden, da es dort als «Fake Smile» gilt und so viel wie «Du nervst» bedeutet. Zudem macht er darauf aufmerksam, dass die Nutzer keine politischen Inhalte gegen China teilen sollen, da sie sonst gebannt werden. 

Unter dem Hashtag #askmeanything finden sich zahlreiche Beiträge, in denen Nutzer Fragen zu verschiedenen Ländern stellen – darunter auch Fragen zur Schweiz. So fragt eine chinesische Userin, ob Schweizerinnen und Schweizer die Wohnungen nicht selbst bezahlen müssen, da der Staat so reich wäre. «Schön wärs» schreibt eine Schweizerin zurück. Diese neue Verbindung hat auch dazu geführt, dass westliche Nutzerinnen und Nutzer Mandarin lernen, um sich besser in die chinesische Nutzergemeinschaft zu integrieren. 

In China gibt es TikTok in seiner bekannten Form, wie sie Millionen Menschen weltweit nutzen, nicht. Stattdessen heisst die App dort Douyin und unterliegt strengen Vorschriften – Regeln, die auch auf RedNote angewendet werden. Ein solcher Austausch, wie er jetzt auf RedNote stattfindet, wäre auf TikTok in dieser Form deshalb gar nicht möglich gewesen.

Herausforderungen durch chinesische Richtlinien

Bisher wurden die meisten Inhalte auf Mandarin geteilt, und die App ist nur teilweise auf Englisch verfügbar. Mittlerweise gibt es zwar einen Übersetzungsbutton für die Kommentare, doch nicht überall ist diese Funktion verfügbar. Die Nutzungsbedingungen von RedNote gibt es bisher nur auf Mandarin, was viele neue internationale Nutzer im Unklaren darüber lässt, welche Regeln auf der Plattform gelten. Die Regelungen betreffen nicht nur Inhalte wie Gewalt, Hassreden oder Pornografie, sondern auch politische und kulturelle Themen, die als sensibel gelten.

Ein Beispiel: Ein Nutzer wurde zensiert, weil er ein oben-ohne Bild postete. Ein anderer Nutzer erklärte ihm daraufhin, dass in China die Beschränkung für das Zeigen von Brustwarzen auch für Männer gilt.

Um eine Balance zwischen interkulturellem Austausch und der Einhaltung der Regeln zu finden, plant RedNote, Moderatoren einzustellen, die mit der westlichen Kultur vertraut sind und in der Lage sind, englischsprachige Inhalte zu überwachen. Dies könnte den interkulturellen Dialog fördern und gleichzeitig die chinesischen Richtlinien wahren.

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