Das hat der Mindestlohn im Tessin bewirkt
Die tiefsten Löhne steigen und die Jobs bleiben

Seit Dezember 2021 hat das Tessin einen kantonalen Mindestlohn. Die Einführung wurde intensiv begleitet und überwacht. Jetzt hat der Kanton den Bericht dazu veröffentlicht.

MINDESTLÖHNE WIRKEN SICH POSITIV AUS: Das bestätigt nun auch ein Bericht zum Kanton Tessin. (Foto: Unia)

Am vergangenen Wochenende konnten die Hungerlohn-Koalitionen in den Kantonen Solothurn und Baselland zwei mehr oder weniger knappe Siege feiern. In ihren Kampagnen behaupteten sie, was schon längst und mehrfach widerlegt ist:

Löhne zum Leben würden Jobs killen und die nicht ganz tiefsten Löhne sinken lassen.

Ein weiteres Mal widerlegen jetzt Tatsachen die Behauptung der Lohndrückerinnen und -drücker. Diesmal stammen die Zahlen aus dem Kanton Tessin. Und sie überraschen weder work-Lesende noch andere intelligente Menschen. Die zentralen Erkenntnisse aus dem Untersuchungsbericht zu den Auswirkungen des kantonalen Mindestlohnes seit dessen Einführung vor drei Jahren sind:

  • Keine statistisch relevanten Effekte auf die Beschäftigtenzahlen
  • Keine Zunahme der Arbeitslosigkeit, auch nicht bei Jugendlichen
  • Keine Verdrängung einheimischer Arbeitskräfte durch Grenzgängerinnen und -gänger
  • Keine negative Entwicklung bei der Anzahl der Unternehmen.

Die Tessiner Untersuchung deckt sich damit mit den Erkenntnissen zum Beispiel aus Genf (work berichtete). In den vergangenen zwanzig Jahren haben Wirtschaftswissenschafterinnen und -wissenschafter nur wenige Themen stärker erforscht als Mindestlöhne (zum Beitrag). Die zusammengefassten Ergebnisse sind deutlich. Mindestlöhne bewirken das, was man von ihnen erwartet:

Sie erhöhen die Löhne von Tieflohnbeschäftigten.

Auf die Zahl der Arbeitsplätze – und damit die Arbeitslosigkeit – haben sie aber kaum einen Einfluss. Teilweise ermitteln die Studien gleich viele oder sogar zusätzliche Arbeitsplätze, die durch einen Mindestlohn geschaffen wurden. Selbst wenn die Studien einen Rückgang der Beschäftigung messen, fällt er im Vergleich zu den Lohnerhöhungen klein aus. Unter dem Strich erhöhen sich die Einkommen der Arbeitnehmenden deutlich.

Nicht nur die tiefsten Löhne steigen

Die Umsetzung des Mindestlohngesetzes wurde im Tessin intensiv begleitet und überwacht. In den ersten zwei Jahren wurden über 70 Prozent der betroffenen Unternehmen kontrolliert (8698 Firmen). Die Verstösse waren überraschend gering: Nur 296 Unternehmen (3,4 Prozent) verletzten die Vorschriften, betroffen waren 1315 Arbeitnehmende (2,8 Prozent der kontrollierten Arbeitnehmenden). Bemerkenswert:

Der Grossteil der Verstösse war auf Berechnungsfehler zurückzuführen, nicht auf vorsätzliche Missachtung. Und die meisten Firmen korrigierten ihre Fehler umgehend.

In den Tieflohn-Branchen stiegen die Durchschnittslöhne um 36 Prozent, von 17.25 Franken auf 23.46 Franken. Wichtig ist, dass nicht nur die untersten Löhne anstiegen; es gab einen Aufwärtseffekt über alle Lohnklassen hinweg.

Löhne zum Leben in der Schweiz

Bis heute kennen in der Schweiz die Kantone Neuenburg, Jura, Genf, Tessin und Basel-Stadt einen Mindestlohn. In der Stadt Luzern wird ab nächstem Jahr ein Mindestlohn gelten. In den Städten Zürich und Winterthur sagte das Volk mit grosser Mehrheit Ja zu städtischen Mindestlöhnen. Deren Einführung wird allerdings von einer Hungerlohn-Koalition unter der Führung der Mitte-Nationalrätin Nicole Barandun mit juristischen Klagen verzögert.

In den Kantonen Freiburg, Waadt und Wallis und in den Städten Bern, Biel und Schaffhausen sind Initiativen im politischen Prozess.

Die Gewerkschaften führen seit 25 Jahren eine Kampagne für Mindestlöhne. Aktuell ist die Forderung: Kein Lohn unter 4500 Franken, und wer eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, muss mindestens 5000 Franken verdienen.

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