Die dunkle Seite von «Love is Blind», «Bachelor» & Co.
Haben Reality-Stars bald eine Gewerkschaft?

Millionen Menschen fiebern mit bei Reality-TV-Shows wie «Love is Blind», «Der Bachelor» oder «Temptation Island». Doch hinter den ­Kulissen sieht es düster aus.

FALSCHER GLANZ: Die Produktionsfirma setzt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von «Love is Blind» massiv unter Druck. (Foto: Netflix)

Die Netflix-Show «Love is Blind» inszeniert die Suche nach der grossen Liebe als soziales Experiment: Sin­gles lernen sich kennen, ohne sich zu sehen, verloben sich und entscheiden erst vor dem Traualtar, ob sie heiraten wollen. Während das Format weltweit erfolgreich ist, berichten ehemalige Teilnehmende von erschreckenden Arbeitsbedingungen: extrem lange Drehtage von bis zu 20 Stunden, mangelnde Verpflegung, Schlafentzug und gezielte Manipulation durch die Produktion. Alkohol wurde in grossen Mengen bereitgestellt, um Drama herbeizuführen. Zwei Frauen berichteten von sexuellen Übergriffen, während die Produktion untätig blieb. Wer die Show vorzeitig verlassen wollte, sah sich mit Vertragsstrafen von bis zu 50 000 US-Dollar konfrontiert. Reality-TV-Darstellerinnen gelten offiziell nicht als Arbeitnehmende, sondern als «Teilnehmende» und haben keinen arbeitsrechtlichen Schutz und keine Gewerkschaft – im Gegensatz zu traditionellen Schauspielerinnen und Schauspielern, die ihre Interessen machtvoll über ihre Gewerkschaft Screen Actors Guild (SGA) durchsetzten (work berichtete).

Druck mit Schlafentzug

In Deutschland deckte eine Recherche des SWR-Medienformats «Vollbild» ähnliche Missstände auf. Teilnehmende werden gezielt gecastet, um Drama zu erzeugen. Sie werden unter Druck gesetzt, manipuliert und mit Schlafentzug konfrontiert.

Einmal wurden die Teilnehmenden mitten in der Nacht mit Schlagermusik beschallt. Wenn sie gereizter und dünnhäutiger sind, ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass sie ausflippen

berichtete ein ehemaliges Produktionsmitglied. Auch sexuelle Übergriffe sollen stattgefunden haben – ohne ernsthafte Konsequenzen für die Täter. In Deutschland und der Schweiz gibt es keine klare gesetzliche Regelung für Reality-TV-Teilnehmende. Sie werden meist als Freiwillige oder Selbständige betrachtet. Ihre Vergütung variiert stark: Während bekannte Namen hohe Gagen erhalten, gehen Erstteilnehmende oft leer aus. Schutz vor Ausbeutung gibt es nicht. Das könnte sich in den USA jetzt ändern. Die US-Arbeitsbehörde entschied nämlich, dass die «Love is Blind»-Teilnehmenden als Arbeitnehmende einzustufen sind, und verklagte die Produktionsfirma. Dieser Fall könnte den Weg für eine gewerkschaftliche Organisation in der Branche ebnen. Sollten die Teilnehmenden künftig als Arbeitnehmende gelten, müssten die Produktionsfirmen ihre Konzepte überarbeiten, so dass sie nicht mehr auf Ausbeutung basieren.

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