«Entlastungsprogramm» belastet die Mehrheit
Keller-Sutter greift soziale Schweiz frontal an

Die SVP-FDP-Mehrheit im Bundesrat tut nicht einmal mehr so, als vertrete sie die Interessen der Mehrheit im Land. Neustes Beispiel: das Sparpakt von Finanzministerin Karin Keller-Sutter.

SIE NIMMT ES DEN ARMEN: Finanzministerin Karin Keller-Sutter macht Steuergeschenke an Superreiche und streicht die Gelder bei denen, die sie wirklich nötig hätten. (Foto: Keystone)

Die AHV, gute Bildung für alle, Prämienverbilligungen, Hilfe für Gewaltopfer, Entwicklungszusammenarbeit, öffentlicher Verkehr – alles Dinge, die rechten Parteien und marktradikalen Ideologen ein Dorn im Auge sind. Sie möchten sie am liebsten abschaffen, aber weil das mit dem Volk nicht zu machen ist, greifen sie den Sozialstaat via Budget an. Ihre Speerspitze ist Finanzministerin Karin Keller-Sutter von der FDP, die dank der nicht gerechtfertigten SVP-FDP-Mehrheit im Bundesrat durchmarschiert.

Neuster Streich: das sogenannte Entlastungsprogramm über 3,6 Milliarden Franken, das Keller-Sutter jetzt in die Vernehmlassung geschickt hat. Angeblich, weil der Bund sonst pleitegeht. Was natürlich Unsinn ist, wie die Fakten zeigen.

Tatsache ist, dass der Bund in den vergangenen Jahren die im internationalen Vergleich bereits extrem tiefe Schuldenquote weiter massiv gesenkt hat.

Tatsache ist, dass die Sozial­ausgaben mit 12,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts im Jahr 2022 (aktuellste verfügbare Zahlen) sogar tiefer waren als 20 Jahre davor. Tatsache ist auch, dass der Bund in den vergangenen Jahren Steuergeschenke in der Höhe von Hunderten Millionen an Superreiche und Konzerne verteilt hat. Und Tatsache ist, dass der Bund die Schuldenbremse nicht verfassungskonform anwendet.

Bereits die Erzählung, wonach ein Staat zu funktionieren habe wie ein privates Haushaltsbudget, ist kreuzfalsch, aber – weil sie auf den ersten Blick so logisch tönt – mehrheitstauglich (work berichtete). Die Schweizer Bevölkerung wollte, dass der Bund nur so viel ausgeben darf, wie er einnimmt. Doch die rechten Mehr­heiten im Bundeshaus haben diese Schuldenbremse so umgesetzt, dass der Bund Jahr für Jahr 1 bis 1,5 Milliarden Franken spart. Denn macht der Bund finanziell vorwärts – entsprechend pessimistisch budgetieren hilft! –, müssen Überschüsse zwingend für den Schuldenabbau verwendet werden. Sie dürfen nicht in den Folgejahren investiert werden. Defizite hin­gegen müssen in den folgenden Jahren ausgeglichen werden.

So kann die bürgerliche Parlamentsmehrheit fortschrittliche Anliegen einfach bodigen.

Darum hat die Schweiz zum Beispiel weder genügend bezahlbare Kita-Plätze noch ausreichend Prämienverbilligungen, noch investiert sie genügend in den ökosozia­len Umbau.

Gibt die bürgerliche Parlamentsmehrheit dagegen für ihre Lieblinge mehr Geld aus, geraten die Sozialausgaben unter Druck. Auch diesmal wird bei der bereits vergoldeten Landwirtschaft nicht gespart, und die Armee erhält Hunderte von Millionen Franken zusätzlich. Dabei erweist sie sich seit Jahrzehnten als stabil «beschaffungsunfähig».

Die Schweiz hat für Reiche, Superreiche und internationale Konzerne bereits so tiefe Steuern, dass unser Land im Rest Europas als Drohkulisse für Steuergeschenke dient.

Gewerkschaftlicher Widerstand

Für die Gewerkschaften ist klar: Das Abbauprogramm von Keller-Sutter «ist nicht nur unverhältnismässig, sondern schadet auch nachhaltig der Qualität des guten Schweizer Service public. Zudem wird das Bundespersonal durch Einsparungen im «Eigenbereich» in Höhe von über 300 Millionen Franken unnötig belastet. Diese massiven Kürzungen werden langfristig auch die Qualität der staatlichen Leistungen beeinträchtigen.» Der Schweizerische Gewerkschaftsbund wird sich in der Vernehmlassung detailliert zu den geplanten Kürzungen äussern und darüber hinaus sein Engagement gegen die unnötige und schädliche Sparpolitik sowohl auf Bundes- als auch auf Kantonsebene fortführen.

Denn klar ist: Abbauprogramme nützen nur den Reichen. Gut finanzierte Sozialwerke und guter Service public hingegen allen Menschen und jenen mit unteren und mittleren Einkommen.

Bürgerliche: Milliarden-Geschenk an die UBS

UBS-Chef Sergio Ermotti strahlt wie die Sonne über dem Nebelmeer. Wen wundert’s: 5,1 Mil­liarden Dollar Gewinn haben die «Bank wie die Schweiz» vergangenes Jahr gemacht. Dollar­zeichen in den Augen dürften auch die Aktionärinnen und Aktionäre haben, die Dividende steigt um 29 Prozent. Für das laufende Jahr soll sie um weitere 10 Prozent steigen. Für 3 Milliarden Franken will die Bank im laufenden Jahr Aktien zurückkaufen. Das ist super für das Aktionariat, das meist steuerfrei kassiert dank dem Unternehmenssteuerreform-Bschiss des früheren FDP-Finanzministers Hans-Rudolf Merz. Und das ist schlecht für das Schweizer Volk, das für die Monsterbank in Geiselhaft sitzt. Denn Aktienrückkäufe mindern das Eigenkapital – und damit die Summe, die zur Ver­fügung steht, Verluste auszugleichen, wenn sich die Banker wieder mal verzocken.

Bombengeschäft: Doch dank der Gross­finanz-Ministerin Keller-Sutter im Bundesrat und den bürgerlichen Mehrheiten in National- und Ständerat muss das die UBS nicht kümmern. Die faktische Staatsgarantie für die letzte Grossbank mit Schweizer Sitz steht – allen Beteuerungen von SVP, FDP, GLP und Mitte zum Trotz. Und erst noch gratis. Die Universität Bern hat dieser Tage eine Studie veröffentlicht (hier abrufbar), die untersucht, wie hoch der Bund die UBS sub­ventioniert. Selbst im vorsichtigsten Szenario kommen die Forscher für das Jahr 2022 auf 2,6 Milliarden Franken. Das heisst: Die UBS spart Jahr für Jahr Milliarden, weil das Schweizer Volk faktisch für sie bürgt. Da sind die 635 000 Franken, die von der UBS pro Jahr ­offiziell an SVP, FDP, GLP und Mitte überwiesen werden, wahrscheinlich das beste Geschäft der Bank. (cs)

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.