Rechter Bundesrat ausser Rand und Band
Politik mit dem Stinkefinger

Unter der Führung von FDP-Frau Karin Keller-Sutter und SVP-Mann Albert Rösti macht der Bundesrat knallharte Geld-und-Gülle-Politik. Wird einer der beiden offiziellen Mitte-Kandidaten gewählt, wird’s noch ärger.

WAS INTERESSIERT UNS DIE VOLKSMEINUNG: Albert Rösti und Karin Keller-Sutter lieben den Trumpismus. (Fotos: Keystone / Montage: work)

Die rechten Parteien SVP und FDP sind im Bundesrat seit Jahren in der absoluten Mehrheit und damit übervertreten. Und seit den letzten Wahlen spielen sie das immer dreister aus.

Ein paar Beispiele:

  • Das Volk hat mit klarer Mehrheit verhindert, dass Milliarden in einen unsinnigen Auto­bahnausbau gesteckt werden. Das war ein schwerer Schlag für die Autolobby und ihren Bundesrat Albert Rösti. Seine Re­aktion: Er stoppt den beschlossenen Ausbau des öffentlichen Verkehrs – insgesamt 260 Projekte lässt er «überprüfen».
  • Die Bauern schütten seit Jahrzehnten zu viel giftiges Zeug auf die Felder. Das schadet dem Boden und dem Grundwasser. Die Belastungen sind nachweisbar, die Folgen messbar. Röstis Reaktion: Schaffen wir doch die Grenzwerte ab, dann werden sie auch nicht überschritten. Juristen und Kantonschemikerinnen halten das für gesetzeswidrig – genauso wie die Expertinnen und Experten im zuständigen Bundesamt.
  • In der Schweiz leben rund 300 Wölfe. Die fressen ab und zu ein paar Schafe aus nicht geschützten Herden (im Schnitt weniger, so sagen Expertinnen und Experten, als sterben müssen, weil sie sich selber überlassen sind). Real sind Wölfe, ausser in Bauern-Köpfen und der SVP-Propaganda, kein Problem. Das sieht auch die Mehrheit des Volkes so. Was macht «Umwelt­minister» Rösti: Er erteilt die Erlaubnis, mal eben zwei Drittel der Wölfe abzuschiessen. Das Bundesgericht konnte ihn erst stoppen, nachdem die ersten Wölfe schon geschossen waren. Wie reagiert Rösti? Er streicht die Gelder für den Herdenschutz zusammen und gibt gleichzeitig auch noch die Biber zum Abschuss frei.
  • Die SVP will die Radio- und TV-Gebühr auf 200 Franken beschränken, in erster Linie, um die SRG zu schwächen. Was macht Rösti: Noch vor der parlamentarischen Behandlung der Initiative – und deshalb natürlich auch vor einer Volksabstimmung – streicht er die Ab­gaben schon mal auf 300 Franken zusammen. Per Verordnung.
  • Der Europäische Gerichtshof entscheidet: Die Schweiz diskriminiert Witwer. Dann behandeln wir halt die Witwen künftig genauso schlecht, sagt Karin Keller-Sutter und schafft de facto die AHV-Witwenrente ab.

Die kleine Auswahl zeigt, wie der aktuelle Bundesrat funktioniert: Die Interessen der Reichen, der Konzerne und der Bauern werden durchgedrückt. Wenn Volk oder Gerichte ein bürgerliches Vorhaben stoppen, kommt’s zur Retourkutsche. Motto: Das Volk will keine neuen Autobahnen? Dann stoppen wir den Bahnausbau! Die Bauern vergiften Boden und Trinkwasser übermässig, überschrittene Grenz­werte beunruhigen die Bevölkerung? Schaffen wir die Grenzwerte ab! Das Volk will bessere Renten? Dann kürzen wir den Bundesbeitrag! Die Richter wollen Gleichberechtigung von Witwen und Witwern? Dann passen wir die Leistungen nach unten an! Politik mit dem ausgestreckten Mittelfinger. Und wundert wenig, wenn man an Röstis und Keller-Sutters Begeisterung für den Trumpismus denkt.

Kampfplatz AHV

Die bitterste Niederlage der letzten Jahrzehnte fuhren die bürgerlichen Mehrheiten im Bundesrat und im Parlament bei der AHV ein: Das Volk sagte überdeutlich Ja zu einer 13. AHV-Rente. Das traf die Rechten ins Mark. Doch sie erholten sich rasch und sannen auf Rache. Was dann geschah, ist die bisher dreisteste Racheaktion. Und die lief so ab: Zuerst schickte ­der Bundesrat eine Finanzierung der 13. AHV-Rente entweder ausschliesslich über Lohnprozente oder über eine Kombination aus Lohnprozenten und einer Erhöhung der Mehrwertsteuer in die Vernehmlassung. Beides Varianten, bei denen Reiche etwas mehr belastet worden ­wären als Gering- und Mittelverdienende.

In der Vernehmlassung stiess die Misch­variante (bei der Reiche besser fahren) auf mehrheitliche Zustimmung. Die Kürzung des Bundesbeitrages an die AHV fiel durch.

Doch der Bundesrat machte über den Sommer eine Kehrtwende. SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider musste eine Finanzierung ausschliesslich über Mehrwertsteuern präsentieren. Diese kam in der Vernehmlassung zwar gar nicht vor, ist aber als unsozialste Finanzierung die Favoritin der Rechten. Fest hielt der Bundesrat dagegen an der Senkung des Bundesbeitrags.

Noch mehr Geld und Gülle

Am 12. März wählt die Bundesversammlung ­einen neuen Bundesrat. Frauen stehen offiziell nicht zur Wahl. Die Mitte präsentiert mit dem Zweierticket aus Bauernpräsident Markus Ritter und dem Zuger Regierungsrat Martin Pfister die personalisierte Geld-und-Gülle-Allianz zwischen Bauern und Grossfinanz, flankiert vom Ge­werbe. Diese hat Ritter vor den letzten Wahlen eingefädelt. Der Deal: Die Bauern unterstützen Sozialabbau, Angriffe auf den Arbeitnehmendenschutz und Steuergeschenke an Superreiche und Konzerne. Im Gegenzug finanzieren die Konzerne den Kampf der Bauern gegen ökolo­gische Initiativen, ihre Parteien erhöhen die Landwirtschaftssubventionen und schützen die überteuerten Lebensmittelpreise weiterhin mit Zöllen. Kurz: Es ist eine Allianz gegen die Lohnabhängigen und die Konsumierenden im Land. Sie schaltet und waltet im Bundesrat und im Parlament dreister denn je. Und daran wird sich frühstens im Herbst 2027 etwas ändern. Den fortschrittlichen Kräften im Land bleibt bis dahin nur, mit Referenden das Schlimmste zu verhindern. Und mit Initiativen Verbesserungen zu erreichen. Beides gelang in den vergangenen Jahren nicht einmal so schlecht.


Bundesfinanzen Plötzlich sind da Milliarden

Grossfinanz-Ministerin Karin Keller-Sutter hat wieder einmal «unerwartet» Milliarden gefunden. 2,6 an der Zahl. Statt das budgetierte Defizit zu verdauen, kann der Bund seine bereits rekordtiefen Schulden noch weiter abbauen.

Bürgerliche Finanzpolitik ist weder Komödie noch Tragödie. Sondern ein Schmierentheater. Eines mit ziemlich durchschaubarer Grundstruktur: Geht es ums Budget, steckt der Bund immer tief, ganz tief oder noch viel, viel tiefer in den ­roten Zahlen. Darum muss auf Teufelin komm raus gespart werden, bei allem, dem in rechten Augen auch nur ein Hauch ­ von «sozial» oder «ökologisch» oder gar «solidarisch» anhaftet. Eben erst hat Keller-Sutter ein Sparprogramm in die Vernehmlassung geschickt, mit dem sie 3,6 Milliarden Franken sparen will: bei der AHV, bei guter Bildung für alle, bei der Hilfe für Gewaltopfer, bei der Entwicklungszusammenarbeit, beim öffentlichen Verkehr.

Wird dann abgerechnet, verdampfen die Riesendefizite oder verwandeln sich gar in Überschüsse. Immer «überraschend» oder «unerwartet» oder wegen «Sonder­effekten». Das wiederholt sich seit Jahrzehnten Jahr für Jahr.

Strategie

Nun könnte diese systematische Fehlbudgetierung lächelnd als Marotte von vorsichtigen Finanzpolitikerinnen und -politikern abgetan werden. Doch sie hat bittere Folgen für die Mehrheit der Menschen und ist kein Soumödeli, sondern rechte Strategie. Denn in der Schweiz wird die Schuldenbremse nicht verfassungskonform umgesetzt. Die Schweizer Bevölkerung wollte, dass der Bund nur so viel ausgeben darf, wie er einnimmt. Doch die rechten Mehrheiten im Bundeshaus haben diese Schuldenbremse so umgesetzt, dass der Bund Jahr für Jahr 1 bis 1,5 Milliarden Franken spart. Denn macht der Bund gegenüber dem Budget finan­ziell vorwärts, müssen Überschüsse zwingend für den Schuldenabbau verwendet werden. Sie dürfen nicht in den Folgejahren investiert werden. Defizite hingegen müssen in den folgenden Jahren ausgeglichen werden. So kann die bürgerliche Parlamentsmehrheit fortschrittliche Anliegen einfacher bodigen.

Armee: Panne reiht sich an Skandal

TSCHÜSSLI, SÜSSLI: Armee-Chef Thomas Süssli gibt sein Amt ab. (Foto: Keystone)

Die Schweizer Armee ist arm dran. Aber nicht, weil sie zu wenig Geld hätte. Denn ausser den Bauern wird nur noch die ­Armee vom Keller-Sutterschen Sparwahn verschont. Bekommt sogar noch mehr Geld. Obwohl sie in den vergangenen ­Jahren mehrfach bewiesen hat, wie beschaffungsunfähig sie ist. Panne reiht sich an Skandal. Millionen verpuffen im Nichts. Nicht einmal einen Jet für den Bundesrat konnten die Militärbürokraten unfallfrei ­beschaffen. Und jetzt kommt auch noch ans Tageslicht, wie leicht beim bundes­eigenen Rüstungsbetrieb während Jahren unbemerkt Millionen abgezügelt werden konnten. Immerhin gibt es jetzt eine neue Militärspitze. Armee-Chef Thomas Süssli hat «gekündigt». Angeblich bereits Ende Januar. Aber geheim. Bekannt wurde dies erst am 25. Februar. Just am Tag, als der neuste Skandal platzte.

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