Privatisierte Sicherheit auf dem Buckel der Mitarbeitenden
Security-Firmen: Bund und Kantone drücken die Preise

Ob in der Innenstadt, im Gefängnis oder im Asylzentrum: immer öfter setzt der Staat auf private Security-Firmen. Ob die Mitarbeitenden diesen Aufgaben überhaupt gewachsen sind, spielt keine Rolle. 

SCHLECHT AUSGEBILDET: Private Sicherheitsfirmen sparen oft bei der Ausbildung ihrer Mitarbeitenden, obwohl diese in ihrem Job eine grosse Verantwortung tragen. (Foto: Istock)

Prellungen am Kopf, am Bauch und am Brustkorb sowie links am Arm und am Knie. Dazu drei lockere Zähne. Diese massiven Verletzungen fügten Security-Leute im Bundesasylzentrum Altstätten SG einem jugendlichen Bewohner zu. Erst nach drei Tagen konnte der 16jährige das Kinderspital St. Gallen verlassen.

Der Vorfall ist einer von insgesamt sieben Gewaltfällen, die 2021 für Schlagzeilen sorgten. Die Vorwürfe richteten sich allesamt an Mitarbeitende von privaten Sicherheitsfirmen. Der Jugendliche in Altstätten hatte sich, so steht es im Rapport der Sicherheitsfirma, trotz mehrfacher Aufforderung geweigert, die damals geltende Maskenpflicht einzuhalten. Der ehemalige Bundesrichter Niklaus Oberholzer, der im Auftrag des Bundes die Vorfälle untersuchte, kam zum Schluss:

Die diagnostizierten Verletzungen stehen in keinem Verhältnis zum Fehlverhalten.

Es sei «offensichtlich», dass die Security-Leute «unverhältnismässig» Gewalt angewendet hätten.

Ausbildung: ungenügend

Dass der Bund die Sicherheitsaufgaben in den Asylzentren an private Firmen ausgelagert hat, bezeichnete Oberholzer als «eines der zentralen Probleme». Auch, weil die Ausbildung der Security-Leute mit der von Polizistinnen und Polizisten nicht zu vergleichen sei. Während die Polizeischule zwei Jahre dauert, verpflichtet der aktuelle GAV die Sicherheitsfirmen lediglich zu einer minimalen Basisausbildung von 20 Stunden. 

Neuen Zündstoff brachte diesen Januar eine Undercover-Recherche von Radio SRF. Eine Journalistin bewarb sich bei verschiedenen Sicherheitsfirmen. Ein Jobangebot erhielt sie unter anderem von der Firma b. i. g., in der Asylunterkunft in der Stadt Zürich. Was dann folgt, ist haarsträubend: Ohne ein Vorstellungsgespräch kann sie gleich mit der Arbeit anfangen. Die Firma verlangt keinen Strafregisterauszug, obwohl dies der Kanton Zürich allen Sicherheitsfirmen vorschreibt. Und eine richtige Ausbildung gibt’s vor dem Start auch nicht.

Es braucht sozialkompetenz 

Dabei ist gerade ein Asylzentrum ein besonders sensibler Ort. Viele Geflüchtete sind traumatisiert, im Alltag kommt es nicht selten zu Spannungen. Und einige Bewohnerinnen und Bewohner sind minderjährig und haben deshalb laut internationalem Recht Anspruch auf besonderen Schutz. In heiklen Situationen angemessen zu reagieren ist höchst anspruchsvoll und will gelernt sein. Sicherheitsleute, die den eidgenössischen Fachausweis der Branche erhalten möchten, müssen unter anderem beweisen, dass sie über eine gute Sozialkompetenz verfügen.

Doch wenn Bund und Kantone Sicherheitsaufgaben auslagern, sind solche Fähigkeiten kaum gefragt. Igor Zoric, bei der Unia für die Branche verantwortlich, liest regelmässig die Ausschreibungen, mit denen die öffentliche Hand etwa auch den Transport von Gefangenen oder Patrouillen in Parks und Strassen an private Firmen vergibt. Er sagt:

Unter den Kriterien, welche Firma den Zuschlag erhält, findet sich meist gar nichts zum Ausbildungsniveau der Mitarbeitenden. Am wichtigsten ist fast immer der Preis. Wer das billigste Angebot macht, bekommt in der Regel den Auftrag.

Diese Politik kritisieren auch die Arbeitgeber. Pascal Cattilaz, Direktor des Branchenverbands VSSU, sagte gegenüber SRF: «Ausschreibungen, wo der Preis matchentscheidend ist, sind ein Riesenproblem. Wo kann eine Sicherheitsfirma sparen? Beim Lohn und bei der Ausbildung.»

Wenn der Staat versagt

Mit ihrer derzeitigen Praxis sind Bund und Kantone dreifach mitverantwortlich, wenn schlecht ausgebildete Security-Leute übermässig Gewalt anwenden. Wer Asyl beantragt, hat erstens ein Anrecht darauf, dass der Staat sie oder ihn vor Gewalt schützt. Zweitens vernachlässigen Bund und Kantone ihre Aufsichtsfunktion gegenüber den Firmen, die sie beauftragen. Und drittens verschärfen sie das Preis- und Lohndumping in der Branche, indem sie das billigste Angebot bevorzugen. Igor Zoric von der Unia:

Heute schafft der Staat einen Anreiz für Firmen, die Mitarbeitenden nur ganz rudimentär oder überhaupt nicht auszubilden. Nötig wäre das Gegenteil!

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