Umweltinitiative der jungen Grünen provoziert Rechte und Reiche
Wollen Sie die Revolution, Frau Erni?

Am 9. Februar kommt die Umweltverantwortungsinitiative an die Urne. Sie verlangt, dass die Schweiz bis in zehn Jahren nur noch so viele Ressourcen nutzt, wie sich regenerieren lassen. Lässt sich das überhaupt umsetzen? Und was bedeutet das für unsere Industrie? Magdalena Erni (21), Co-Chefin der jungen Grünen, erklärt.

GRÜNES IDYLL STATT ÖLRAFFINERIE: Die junge Grüne Magdalena Erni sagt, dass eine Ölraffinerie
in der Schweiz nicht mehr haltbar sei. (Foto: Keystone)

work: Frau Erni, wollen Sie eigentlich die Schweizer Industrieproduktion schrotten?
Magdalena Erni: Auf keinen Fall! Wir sind uns bewusst, dass die Schweizer Industrie verhältnismässig umweltschonend arbeitet. Und gerade deshalb geht es in unserer Initiative nicht nur um die inländische Produktion, sondern um unseren Gesamtkonsum. Unsere Importe werden also auch berücksichtigt. Sonst könnte die Schweiz ihre Bilanz ja schönen, indem sie die emissionsintensiven Tätigkeiten einfach ins Ausland auslagert. Das wollen wir nicht. Zumal schon heute zwei Drittel der von uns verursachten Umweltbelastung im Ausland anfallen. Wenn wir schauen, wie dreckig die Industrie im Ausland oft ist, wird ein Ja zu unserer Initiative die inländische Produktion eher noch steigern.

Trotzdem, Ihre Abstimmungsplakate zeigen ein düsteres Foto der Erdöl­raffinerie von Cressier NE, daneben eine freundlich-helle Illustration einer ­harmonischen Zukunftsstadt, wo die ­Leute Velo fahren, hündelen oder entspannt auf einer ­Blumenwiese chillen. Wen soll diese Bildsprache abholen?
Damit soll gezeigt werden, wie verschmutzend wir heute unterwegs sind. Wenn die Schweiz ihre Netto-null-Ziel bis 2050 wirklich erreichen will, dann ist eine Ölraffinerie sowieso nicht mehr haltbar. Und es ist nicht so, dass auf unserem Plakat alle nur chillen würden. Die Illus­tration zeigt durchaus auch arbeitende Menschen – auf einem Markt, im Garten, Care-­Arbeit…

Ihre Gegner warnen von der «Ver­armungsinitiative». Hand aufs Herz: Die Preise würden bei einer Annahme der Initiative sicher nicht sinken, oder?
Schon heute treibt die Klimakrise die Preise in die Höhe. Etwa wegen Dürren, Überschwemmungen und unterbrochener Lieferketten. Manche sprechen sogar von einer «Klima-Inflation». Und wir merken es ja längst beim Einkaufen: Orangensaft und Olivenöl verzeichneten wegen schlechter Ernten einen krassen Preisanstieg. Das wird in Zukunft noch zunehmen. Wenn wir jetzt handeln, kommt uns das viel günstiger, als wenn wir weiterfahren wie bisher.

Tönt gut, die NZZ schreibt aber, Sie wollten in Wahrheit die ökosozialistische Revolu­tion. Hat sie recht?
Im Initiativtext steht absolut nichts von Revolution oder Ökosozialismus. Sondern davon, dass die Wirtschaft nur noch so viele Ressourcen verbrauchen und Schadstoffe freisetzen darf, dass die natürlichen Lebensgrundlagen noch erhalten bleiben. Das sollte doch selbstverständlich sein!

Schon, aber das sprengt doch den Rahmen des Kapitalismus, der ständiges Wachstum voraussetzt!
Wovon wir uns verabschieden müssen, ist das reine Streben nach Profit und Wachstum. Aber es ist auch klar, dass gewisse Sektoren noch stark weiterwachsen müssen. Die Versorgung mit erneuerbaren Energien, der ­öffentliche Verkehr oder die ökologische Landwirtschaft.

Wie das Ziel umgesetzt werden soll, überlässt Ihre Initiative Bund und Kantonen. Glauben Sie, diese würden zuverlässig arbeiten und auch die geforderte ­Sozialverträglichkeit einhalten?
Das will ich doch hoffen! Es ist schliesslich die Aufgabe des Parlaments, den Volkswillen umzusetzen. Aber klar, nur weil eine Sache beschlossen wird, heisst das noch lange nicht, dass sie auch korrekt umgesetzt wird. Man muss dem Parlament immer auf die Finger schauen.

Die letzten Umfragen prognostizieren Ihnen einen Ja-Anteil von nur 37 Prozent. Woher kommt dieser Support soziodemographisch?
Vor allem von Frauen, jungen Menschen und Haushalten mit tiefen Einkommen. Je höher das Einkommen, desto eher stimmt die Person Nein. Das zeigen die Umfragen deutlich. Es ist klar: Reiche fühlen sich eher angegriffen. Schliesslich führen sie oft einen Lebensstil, der ohne Umweltverschmutzung schlicht nicht möglich wäre.

Parolenspiegel: Wer Ja, Nein und nichts sagt


Drei Erden wären nötig, wenn alle Menschen so viele Ressourcen verbrauchen würden wie Herr und Frau Schweizer. Sagt das Bundesamt für Umwelt. Und die jungen Grünen sagen: Schluss damit! Ihre Umweltverantwortungsinitiative ­verlangt, dass die Schweiz bis in 10 Jahren die planetaren Grenzen respektiert. Für ein Ja ­werben SP, Grüne, EVP, PdA, Pro Natura, Verkehrsclub, Birdlife, Greenpeace, Gewerbeverein und Kleinbauernvereinigung. Für ein Nein die Rechtsparteien samt GLP sowie die grossen Wirtschaftsverbände. Keine Parole beschlossen haben die Gewerkschaften. (jok)

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.