Lernende wehren sich
Berufseinstieg brutal: Billige Arbeitskräfte statt Auszubildende

Die Lernendenbewegung Scorpio hat in Basel ihre erste Demo organisiert. Ihr Ziel: auf die teils gravierenden Probleme in der Lehre aufmerksam machen. 

JUNGE MENSCHEN SETZEN EIN ZEICHEN: Die erste Demonstration der Lernendenbewegung Scorpio in Basel. (Foto: Instagram Scorpio)

Es sind Gärtnerinnen, Detailhändler, Fachfrauen Betreuung, Velomechaniker und Schreinerinnen in Ausbildung, die vergangenen Samstag in Basel auf die Strassen gingen. Ihre Probleme im Betrieb sind real: Sexismus, Diskriminierung und Rassismus. Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle. Die Lernendenbewegung Scorpio in Basel schloss sich aus diesem Grund vor knapp drei Jahren zusammen. Ihr Ziel: auf die Probleme der Lernenden aufmerksam machen. Mit ihrer ersten organisierten Demo in Basel haben sie einen Nerv getroffen.
 
Gegen 400 Menschen versammelten sich. «Leute aus der ganzen Schweiz sind angereist. Die Demo war friedlich, und die Mehrheit waren junge Menschen, die aktuell selbst noch in der Lehre sind», so die Organisatoren. Im Vorfeld hatte Scorpio fünf Lernende angefragt, die an der Demo über die Zustände in ihrem Lehrbetrieb sprechen sollten. Doch das offene Mikrophon lockte noch viel mehr Stimmen an. Der Tenor:

Lernende haben im Betrieb eine schwierige Position, denn sie stehen in der Hierarchie immer zuunterst.

«Das ist ein gefährlicher Nährboden für Diskriminierung oder sogar Rassismus», so Scorpio. An der Demo haben auch viele Frauen von ihren Erfahrungen in der Lehre gesprochen. Sie werden von ihren Mitarbeitenden sexualisiert oder erleben sexualisierte Gewalt. Auch dagegen setzt Scorpio ein starkes Zeichen.

Lernende verdienen mehr

«Lernende werden weder im Betrieb noch in der Gesellschaft wertgeschätzt. Das Interesse liegt zu oft daran, die jungen Menschen als billige Arbeitskraft auszunutzen, statt ihnen eine gute Ausbildung zu bieten. Das äussert sich auch im Lohn», so Scorpio. Eine Forderung der Lernenden: Mindestlöhne für Arbeiterinnen und Arbeiter in Ausbildung.

SUPPORT: Auch eine Unia-Delegation lief bei der Demo mit. (Foto: Unia Aargau-Nordwestschweiz)

Die Reaktionen auf die Demonstration waren ernüchternd. Der Basler Arbeitgeberverband sowie der Gewerbeverband äussern sich geschlossen: Die Probleme, die an der Demo angesprochen wurden, seien nur Einzelfälle. Auch Mustafa Atici (SP), Vorsteher des Erziehungsdepartements des Kantons Basel-Stadt, äussert sich gegenüber der «bz Basel» unbesorgt und scheint, was die Situation für die Lernenden in den Betrieben angeht, keinen grossen Verbesserungsbedarf zu sehen.
 
Dabei zeigt eine kürzlich publizierte Umfrage der Gewerkschaft Unia besorgniserregende Resultate:

Von den 1100 befragten Lernenden empfinden 92,4 Prozent Stress am Arbeitsplatz. Zudem erleben laut Umfrage 27,9 Prozent der Frauen und 7,8 Prozent der Männer sexuelle Belästigung im Lehrbetrieb.

Hinzu kommt, dass mehr als ein Drittel der Lernenden Rassismus erfahren mussten. work hat darüber berichtet: zum Beitrag.

Warum anonym?

Für die jungen Aktivistinnen und Aktivisten von Scorpio war die Demo ein sehr motivierendes Erlebnis. Sie sagen: «Wir erhoffen uns, dass sich nun mehr Lernende getrauen, sich zu organisieren und zu wehren.»

Doch warum tritt die Organisation anonym auf? «Als Lernende befinden wir uns im Betrieb in einer prekären Situation. Bei Problemen stehen viele allein da und müssen die Konsequenzen am Arbeitsplatz allein ausbaden», sagt die Lernendenbewegung. Ihre Erfahrungen zeigen, dass Schulleitungen und Lehrlingsämter oft auf der Seite der Betriebe sind. Mit der Demo erhofft sich Scorpio vor allem eins:

Dass die Lernendenbewegung in der Schweiz Fuss fässt. Denn die Probleme der Lernenden sind im ganzen Land gleich.

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