Kolumne EUropa
Beziehungen mit den USA: Sturmtief über dem Atlantik

Regula Rytz, Delegierte bei den European Greens, ehem. Nationalrätin und Präsidentin der Grünen, Mitglied der Arbeitsgruppe Europa des gewerkschaftsnahen «Denknetzes». (Montage: work)

Der Kurs der neuen US-Regierung trifft Europa im Kern. Lange schienen die transatlantischen Beziehungen unzerbrechlich zu sein. Kein Wunder: Die Mehrheit der US-amerikanischen Bevölkerung hat europäische Wurzeln. Viele setzten 1944 ihr Leben aufs Spiel, um das Nazi-Regime mit seinen Verbündeten zu stoppen. Beim Wiederaufbau Europas spielten amerikanische Wirtschaftshilfen eine zentrale Rolle. Mit der Schaffung von internationalen Organisationen schliesslich haben die Alliierten eine globale Nachkriegsordnung aufgebaut, die langfristigen Frieden und Stabilität versprach. Zwar war sie löchrig wie ein Emmentalerkäse. Doch wenn sie ganz wegfällt, werden souveräne Staaten wie die Ukraine für ein paar Silberlinge an Putin verkauft.

Was heisst das alles für Europa und die Schweiz? Für eine Bilanz ist es zu früh. Trump ist noch keine zwei Monate im Amt. Viele krasse Entscheidungen wurden nach wenigen Tagen korrigiert. Aber wir sollten uns nicht täuschen lassen: Trump verfolgt im Gegensatz zu 2016 eine klare Strategie.

Demontage

Fakt eins ist, dass Trump die globalen Institutionen demontieren will. Davon ist das gesamte Uno-System betroffen, vom Menschenrechtsrat bis zum «internationalen Genf». Auch Wirtschaftsorganisationen wie die OECD oder die WTO geraten in den Strudel. Nun kann man einwenden, dass diese ohnehin nur den Wettbewerb unter den starken Industrienationen regeln. Doch es gab auch gute Punkte. So hat die OECD mit ­ihrem Kampf gegen Steuerkriminalität das Schweizer Bankgeheimnis gekippt. Das nützt den Menschen im globalen Süden. Mit dem WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen wurden zudem 2014 Sozial- und ­Umweltstandards in das Wettbewerbsrecht eingebaut. Ob diese noch gelten, wenn die USA den ­Tarif durchgeben, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.

Zölle

Fakt zwei ist, dass Trump eine neue Form des Merkantilismus testet. Mit hohen Zöllen ­sollen Importe in die USA gebremst und Arbeitsplätze zurückgeholt werden. Von solchen Massnahmen wäre (neben den amerikanischen Konsumentinnen und Konsumenten) die europäische Wirtschaft stark betroffen. Sie exportiert heute mehr Güter in die USA als umgekehrt. Werden die Handelshürden höher, drohen Unternehmen abzuwandern. Dass weiss auch die EU-Kommission. Ihre Top-Thema heisst deshalb «Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit». Dazu sollen im Rekordtempo alle Errungenschaften im Bereich der Nachhaltigkeit und der unternehmerischen Sorgfaltspflicht weggefegt werden.

Auch die offizielle Schweiz passt sich dem Zeitgeist an. Die NZZ empfiehlt eine «opportunistische, wendige Aussenpolitik», und die Bundespräsidentin macht Bücklinge vor US-Schimpftiraden (war da nicht mal was mit Wilhelm Tell?). Da lobe ich mir die grönländische Handelsministerin. Sie lädt Trump freundlich dazu ein, in ihrem Land zu investieren – aber zu demokratischen Spielregeln. «Wir haben Gesetze, an die sich alle halten müssen, und sehr hohe Standards, um die Umwelt zu schonen und Korruption und sozialer Ausbeutung vorzubeugen.» Voila! Mitten im Atlantik, zwischen den USA und Europa, gibt es noch Menschen, die in stürmischen Zeiten einen klaren Kompass haben. Wir brauchen mehr davon!

Regula Rytz schreibt hier im Turnus mit Roland Erne, was die europäische Politik bewegt.

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