Bikini-Medizin und andere Absurditäten
Am 8. März ist Weltfrauentag. Dazu ein paar Fakten, die keine Geiss wegschleckt. Auch wenn man noch so laut dagegen trumpetet:

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin
«Die Angst vor dem Fremden sitzt tief in uns allen drin. In unseren Herzen wohnt ein kleiner Faschist.» Zwei Sätze, die sitzen. Von einem, dessen nasale Stimme für immer verstummt ist: Peter Bichsel. Und weiter: «Die Schweiz hatte bereits ein Ausländerproblem, bevor sie Ausländer hatte.» Denn die Schweiz funktioniere nur, wenn sie Feindbilder habe, die Schweiz wolle bedroht sein. Mitten ins Schwarze, schon wieder. Das Interview gab der Autor und Gewerkschafter Jahre vor dem aktuellen faschistischen Frühling. Ex-work-Chefredaktorin Marie-Josée Kuhn hat es 2011 geführt. Und sie hat jetzt auch Bichsels Wirken gewürdigt.
Bichsel hat recht. Die Schweiz hat ein Rassismusproblem. Tendenz steigend. Zum Beispiel: Ein Kunde beschwert sich über Frau H., macht rassistische Bemerkungen und weigert sich aufgrund ihrer Herkunft, von ihr bedient zu werden. Ihr Vorgesetzter spielt den Vorfall herunter und gibt sogar Frau H. selbst die Schuld daran. Oder Frau X.: Sie macht ein Praktikum als Krankenpflegerin und trägt ein Kopftuch. Die Praktikumsleiterin bemängelt ihre Kleidung und schlägt eine Lycra-Mütze als Ersatz vor. Das möchte Frau X. nicht. Sie zeigt sich aber offen für andere Kleidungsoptionen. Die Praktikumsleiterin bleibt unnachgiebig. Frau X. bricht ihr Praktikum widerwillig ab. Dies sind zwei von 1058 Fällen, welche die Schweizer Beratungsstellen für Rassismus im Jahr 2023 registriert haben. Die Dunkelziffer dürfte massiv höher sein.
Ein rassistischer Witz vom Arbeitskollegen, eine herabwürdigende Bemerkung vom Chef: über die Hälfte der rassistischen Diskriminierung geschieht am Arbeitsplatz. Für diejenigen, die solche und schlimmere Vorfälle immer wieder erleben, seien sie eine enorme Belastung, sagt Unia-Migrationsexpertin Nivalda Still. Aktuelle Forschung zeigt, dass bei der Arbeit und bei der Stellensuche besonders Menschen aus Südosteuropa, dem Balkan und dem südlichen Afrika betroffen sind. Oft nicht wegen der Nationalität, sondern aufgrund einer imaginären «Andersartigkeit».
Rassistische Diskriminierung führt zu höherer Arbeitslosigkeit und tieferen Löhnen. Betroffen sind insbesondere Arbeitnehmende in Tieflohnbranchen, etwa in der Reinigung, der Gastrobranche, im Detailhandel oder in der Pflege.
Doch haben wir wirklich alle einen kleinen Faschisten im Herzen? Wenig ist bekannt über die Täterinnen und Täter. Erfasst sind nur Fälle, mit denen sich ein Gericht oder die Polizei befasst hat. Über Alltagsrassismus sagen diese Zahlen absolut nichts aus. Aber sie zeigen: Schweizer Männer sind unter der Täterschaft deutlich übervertreten.
Auf der Klaviatur der Angst vor dem Fremden, die uns allen innewohnt, spielen die Parteien rechtsaussen mit Bravour. Und nicht erst seit heute. Deshalb sollten wir uns alle hin und wieder ganz in Bichselscher Manier fragen: Kleiner Faschist, wie gross bist du heute?